0441 - Die Nacht der stillen Mörderin
aus!«
»Sicher nicht Aber es kommen ein paar Kleinigkeiten hinzu. Hier bei uns gibt es einen Gefangenen, der seit Jahren die übrigen Sträflinge unter Druck hält. Ähnliche Erscheinungen kann man in jedem Zuchthaus beobachten. Offiziell ist nicht viel dagegen zu machen. Wie wollen Sie verhindern, daß die übrigen Gefangenen Angst vor ihm haben? Und jahrelang isolieren, das geht nun auch wieder nicht!«
»Um wen handelt es sich?«
»Nelson, Jack Nelson!«
»Der Nelson etwa, der 1962 beim Überfall auf die National City Bank verhaftet wurde?«
»Genau der. Er bekam damals zwölf Jahre. Nelson ist der brutalste Bursche, den ich je erlebt habe. Absoluter Einzelgänger. Von Anfang an setzte er sich hier in Blairfield unter seinen Mitgefangenen durch.«
»Und weiter?«
»Als Gorgonzola hier erschien, brach sofort der Kampf aus. Bereits am zweiten Tag konnten wir sie nur mit Mühe davon abhalten, sich gegenseitig umzubringen. In der Folgezeit behielten wir beide besonders im Auge. Gorgonzola versuchte eine Spaltung unter den Gefangenen herbeizuführen, aber ohne Erfolg. Die Leute wußten, daß er aus Old Yellowstains Bande kam, und das reichte, ihm den Haß aller einzutragen. Er konnte sich trotzdem halten, auch gegen Nelson, denn Gorgonzola stand ihm an Brutalität nichts nach.«
»Und was hat das mit dem Unfall zu tun?«
»Wie gesagt, zuerst hatte ich eine ganz einleuchtende Erklärung für die Rivalität. Das alte Lied, wenn zwei Anführertypen aufeinanderprallen. Dazu ist Nelson, als er noch in Freiheit war, einige Male mit Old Yellowstains Leuten zusammengestoßen. Aber dann geschah einiges, was mich nachdenklich stimmte. Ich bin heute davon überzeugt, daß Gorgonzola etwas wußte und daß Nelson es ihm abjagen wollte. Was es war, weiß ich nicht, aber die Art, wie Nelson Gorgonzola unter Druck setzte, war typisch. Es ging ihm nicht nur um die Vorherrschaft, und es war auch nicht bloßer Haß, Nelson wollte .etwas herausbekommen!«
»Und Sie meinen, der Unfall hängt damit zusammen?«
»Ja. Es war ungefähr vor einem Jahr, kurz vor der Mittagspause. Die Aufseher wurden durch einen Streit am anderen Ende des Saales abgelenkt. Und plötzlich schrie Gorgonzola fürchterlich, seine Hand war in die Druckpresse geraten. Nelson arbeitete an der Nebenmaschine und mit ihm fünf oder sechs seiner ergebensten Anhänger!«
»Wenn Sie recht haben, sollte Gorgonzola nicht umgebracht werden. Er wurde gefoltert, um zu singen.«
»Genau das meine ich.«
»Und? Hat er gesungen?«
»Da müssen Sie ihn selbst fragen, oder Nelson. Seine Hand spricht wohl dafür, daß er den Mund gehalten hat.«
»Hat Nelson derartige Versuche später noch wiederholt?«
»Nein! Und er hatte auch kaum Gelegenheit dazu. Nach dem Unfall haben wir die beiden rigoros getrennt und scharfe Überwachungsmaßnahmen eingeleitet.«
»Und Sie haben vermutlich auch keine Ahnung, welches Geheimnis Gorgonzola ausplaudern sollte?«
»Nein, nicht die geringste Ahnung. Sie dürfen auch nicht vergessen — das alles ist eine bloße Theorie von mir. Beweisen kann ich nichts. Gorgonzola selbst hat dichtgehalten. Er bleibt dabei, daß es ein Unfall war. Aber es gibt einen Mann, der Ihnen helfen könnte.«
»Nelson!«
»Allerdings müssen' Sie sich beeilen. Und es ist sehr fraglich, ob er etwas für Sie tut.«
»Wieso?«
»Nelson hat vor einem Vierteljahr einen gewaltsamen Ausbruchsversuch inszeniert und einen Aufseher erschossen. Deshalb wurde er zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung findet in drei Tagen statt. Und ich glaube nicht, daß sie verschoben wird!«
***
Einen Mann zu verhören, der drei Tage vor seiner Hinrichtung stand, versprach wenig aussichtsreich zu werden. Aber wir mußten es wenigstens versuchen.
Es war kein Problem, eine Sprecherlaubnis für Nelson zu bekommen. Ein Anruf bei Mr. High, unserem Chef, und ein Gespräch mit dem zuständigen General Attorney gaben grünes Licht.
Der Zuchthausdirektor ließ uns einen Passierschein ausstellen, und dann machten wir uns auf den Weg, begleitet von zwei Aufsehern.
Die Todeszelle lag im Block der Lebenslänglichen, isoliert von den übrigen Räumen. Wir passierten mindestens ein halbes Dutzend Sperren, ehe die letzte, elektronisch überwachte Stahltür sich öffnete. Vor uns lag der Raum, in dem sich Tag und Nacht drei Wärter aufhielten.
Der diensttuende Sergeant erhob sich.
»Keine besonderen Vorkommnisse«, meldete er. »Seit gestern verhält er sich ruhig.«
»Er hatte in den letzten
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