0442 - Stets, wenn er die Peitsche nahm
blieb er am Tisch stehen. »Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie da sagen?«
Ich lächelte matt. »Selbstverständlich«, nickte ich. »Ich bin es gewohnt, meine Äußerungen genau abzuwägen.« In diesem Augenblick schien es mir so, als hörte ich unter mir gewisse Geräusche. »Befindet sich jemand im Lokal?« erkundigte ich mich.
»Lenken Sie nicht ab!« sagte Drummond. Ich sah, daß seine Knöchel weiß und spitz, hervortraten. »Wie kommen Sie dazu, mich in so ungeheuerlicher Weise zu verdächtigen? Was versprechen Sie sich davon?«
»Die Wahrheit«, erklärte ich und stand auf. Ich lauschte. »Da unten macht sich jemand an der Wand zu schaffen«, stellte ich fest. »Hören Sie das nicht?«
Drummond schob die Unterlippe nach vorn. »Unsinn!« meinte er dann. »Ich habe die Tür hinter mir abgeschlossen!«
»Wer, außer Ihnen, hat einen Schlüssel?«
»Jane und die Putzfrau, Mrs. Wedgeworth.«
»Sonst niemand?«
»Nein.«
»Es wird am besten sein, wir schauen uns unten einmal um«, sagte ich.
»Das ist doch Nonsens!«
»Kommen Sie«, sagte ich.
Wir verließen die Wohnung. Drummond benutzte den im Hausflur gelegenen Lokalaufzug. Die schmale stabile Eisentür mündete in den Korridor, der zu Drummonds Office führte. »Na, sehen Sie!« sagte Drummond, als er die Tür mit seinem Schlüssel öffnete. »Alles ist in Ordnung.«
Wir betraten den schmalen Gang. Drummond knipste das Licht an. Wir lauschten. Im Lokal war es totenstill. »Genügt Ihnen das?« fragte er.
»Nicht ganz. Sehen wir uns im Lokal um«, sagte ich und ging voran. »Machen Sie Licht, bitte!«
»Moment«, meinte Drummond. Er drückte auf einen Schalter. Nichts geschah. In der Bar, an deren Schwelle ich stand, blieb es dunkel. »Was Ist los?« fragte ich.
»Komisch«, brummte Drummond. »Sieht so aus, als wäre ’ne Sicherung durchgebrannt.«
»Vielleicht hat man sie ’rausgeschraubt«, vermutete ich. »Wie steht es mit der Beleuchtung im Tanzraum?«
Er drückte auf einen Schalte. »Okay?«
»Alles dunkel«, sagte ich.
»Das wirft mich um«, meinte er »Warten Sie! Ich hole eine Taschenlampe aus dem Office.«
Ich hörte, wie er das Office betrat. Hinter der Milchglasscheibe wurde Licht. »Hier Ist alles in Ordnung«, sagte jer laut. Sekunden später kam er mit der Taschenlampe zurück. Er drückte sie mir in die Hand. Ich spürte, daß er unruhig war. Er starrte in die Dunkelheit. »Ist da jemand?« fragte er mit rauher, heiserer Stimme.
Ich knipste die Taschenlampe an. Der j Lichtkegel huschte über den Bartresen, über die buntetikettierten Flaschen und die hohen rotgepolsterten Barhocker. Kein Mensch war zu sehen. Wir durchquerten den Barraum und betraten dann das eigentliche Lokal. Ich dirigierte den Lichtkegel zu der Wand, an der der Tisch mit der Mamorplatte stand.
Die hölzerne Wandverkleidung war abgerissen worden.
Dahinter gähnte die nackte schmutziggraue Mauer. An der Mauer baumelte ein dünner schwarzer Draht. Sonst war nichts zu sehen.
»Was hat denn das zu bedeuten?« würgte Drummond hervor. Er stand neben mir.
Ich ließ den Lichtkegel durch den Raum gleiten; er huschte über Tische und Stühle. Die vielen Boxen und Nischen machten es unmöglich, jeden Winkel auszuleuchten. Es war gut möglich, daß sich der Mann, der die Wandverkleidung abgerissen hatte, noch im Raum befand.
Ich ging auf die Stelle zu, wo der Unbekannte die dünne Holztäfelung abgerissen hatte. Die etwa quadratmetergroße Platte lag auf dem Boden. »Ich verstehe nicht, was die Kerle hier gesucht haben«, murmelte Drummond.
»Mir ist das völlig klar«, sagte ich. »Sehen Sie den Draht?« Ich leuchtete ihn an.
Ich spürte den Luftzug, vielleicht war es auch nur der Instinkt, der mich zurückzucken ließ — aber die Reaktion kam zu spät.
Irgend etwas traf mich an der Schläfe, knallhart und brutal. Ich merkte, wie mein Bewußtsein in einen tiefen dunklen Strudel gerissen wurde. Ich wehrte mich gegen das scheinbar Unvermeidliche, aber mein Wille hatte nicht die Kraft, mit den Folgen des Schlages fertig zu werden.
***
Als ich die Augen öffnete, sah ich nichts. Um mich herum war es stockdunkel.
Vorsichtig stemmte ich zunächst den Oberkörper in die Höhe. Hinter meiner Stirn saß ein wütender Schmerz, der sofort in Dampf hammermanier losklopfte. Ich kam etwas mühsam auf die Beine und streckte tastend die Hand aus. Meine Fingerspitzen berührten der Rand eines stabilen Tisches. Ich fühlte die glatte kalte Fläche einer Mamorplatte.
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