0443 - Einer hat den Mord gefilmt
schwieg. Die Angst, die sie schon abgeschüttelt hatte, griff erneut nach ihr. Wieder sah sie das Bild der Frau auf der Bank vor sich.
»Wenn ich die Hände frei haben werde«, sagte Richard Black, »werde ich Harry Writer und jeden, der ihm geholfen hat, zu finden wissen.« Mit langsamer Bewegung nahm er die Brille ab. Renée Duval sah in die schwarzen Augen, und es kam ihr vor, als blickte sie immer noch in dunkles Glas.
»Wenn Kate Tharn noch reden könnte«, fuhr Black fort, »könntest du sie fragen, wie ich mich gegen Freunde verhalte, besonders wenn es sich um Girls handelt. Findest du nicht, daß du auf meiner Seite besser fahren würdest, Renée? Wer ist schon Harry Writer? Er erwischte im großen Lotteriespiel einen Zufallstreffer. Am Ende wird sich heraussteilen, daß er eine Niete war.«
Er beugte sich näher zu der Frau. »Du kannst von mir alles bekommen, was Writer dir versprach, und noch einiges darüber hinaus. Setzt du wieder auf ihn, wirst du eines Tages sein Schicksal teilen müssen. Hast du verstanden? Sein Schicksal, nicht seine Beute!«
»Ich soll Ihnen Harry verraten?« fragte das Mädchen atemlos.
»Warum nicht? Oder liebst du ihn?« Fast mechanisch schüttelte sie den Kopf. Sie spürte quälend die Gier nach einer Marihuana-Zigarette. »Es hat keinen Zweck«, antwortete sie tonlos. »Er trägt das Negativ nicht bei sich, und er hat mir noch nicht gesagt, wo er es versteckt hat.«
Zum erstenmal nahm Black die Hand von ihrem Arm. »Das hört sich an, als wärst du einverstanden, die Seiten zu wechseln.«
Sie stand rasch auf. »Es kommt darauf an, was Sie bieten.«
»Darüber läßt sich reden. Wo kann ich dich erreichen?«
»Ich arbeite in der Space-Bar, Douglaston, Ruwer Street.«
Auch der Gangster stand auf. »Ich werde noch heute etwas in die Bar schicken. Auf gute Zusammenarbeit, Renée!«
Als sie die Bank verließ, sah sie am Fuße der Freitreppe einen Mann stehen, der an seinen Nägeln kaute. Der Anblick des bleichen Gesichtes mit den unnatürlich roten Lippen erschreckte sie, aber erst als sie die Tür ihrer Wohnung hinter sich schloß, fiel ihr ein, daß der Mann einer der Zuschauer auf dem Foto des Mordes war.
Sie zündete sich die Marihuana-Zigarette hastig an. Das heimtückische Gift beruhigte ihre Nerven. Sie konnte wieder klar denken, und sie dachte über Blacks Angebot nach. Sie brauchte nur zehn Minuten, um zu der Überzeugung zu gelangen, daß Writer sich auf die Dauer nicht gegen Black durchsetzen konnte.
Writer würde diesen Krieg verlieren. Schon zuckte sie bei diesem Gedanken die Achsel. Was ging sie Harry Writer an? Jeder war sich selbst der Nächste.
Writer rief um elf Uhr an. Ohne Gruß fragte er: »Wie steht es?«
»Ich halte eine Aktentasche mit vierundzwanzigtausend Dollar auf den Knien.«
»Hast du Black gesehen? Hast du gemerkt, ob du verfolgt wurdest?«
Sie log eiskalt. »Ich sah niemanden, und ich merkte auch nichts von Verfolgung. Aber falls ich verfolgt wurde, habe ich die Burschen mit Sicherheit abgeschüttelt. Ich habe mich genau nach deinen Vorschriften gerichtet. U-Bahn, Bus, zweimal ein Taxi und quer durch ein überfülltes Kaufhaus.« Mit der Marihuana im Blut bekam sie es fertig, hemmungslos zu lachen. »Harry, es war der größte Umweg nach Hause, den ich je machte.«
»In Ordnung. Jetzt mache dich wieder auf die Strümpfe. Nimm die Aktentasche und komme zur Kreuzung 3. Avenue und 42. Straße. Stell dich an der Ampel vor dem Drugstore in der 42. Straße auf. Hast du verstanden?«
»Warum kommst du nicht her zu mir, Harry?«
»Noch zu riskant. Ich muß erst wirklich überzeugt sein, daß die Luft rein ist.«
Zwanzig Minuten später stand Renée Duval an der bezeichneten Stelle. Die Ampel wechselte einige Male von Rot auf Grün und zurück.
Beim dritten Wechsel von Rot auf Grün stoppte im Strom der anrollenden Wagen ein grauer Ford vor ihr. Die Seitentür wurde aufgestoßen.
»Einsteigen!« herrschte Writer sie an. Hinter dem Wagen des Fotografen heulten die Hupen. Verwirrt stieg Renée ein. Writer fuhr an und huschte gerade noch bei Grün über die Kreuzung.
»So sollte es klappen«, freute er sich. Er blickte dauernd in den Rückspiegel, wechselte öfter als ein Dutzendmal die Straßen, und erst als er restlos überzeugt war, daß niemand sie verfolgte, fuhr er den grauen Ford, einen Leihwagen, auf einen Parkplatz.
»Laß mich sehen!« sagte er und streckte die Hand nach der Aktentasche aus. Das Mädchen übergab sie ihm. Er
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