0443 - Lady Panthera
erhielt sie alles von ihm, was sie begehrte. Für seine Zeitgenossen war Salomo nicht nur ein König, man bezeichnete ihn auch als Beherrscher der Geister. Und daran glauben wir.«
»Wegen seines Ringes?« fragte ich.
»So ist es. In diesen Ring war ein Hexagramm eingraviert, das sogenannte Großsiegel Salomos, das auch heute noch in der Flagge des Staates Israel erscheint.«
»Was bedeutet es?« fragte ich.
»Das Hexagramm symbolisiert das Verschmelzen und Durchdringen von gegensätzlichen Kräften. Zum Beispiel Himmel und Erde oder Geist und Materie. Es ist, wenn man es genau nimmt, die gesamte Welt oder deren Ablauf in dem Großsiegel vereinigt.«
»Sie sprachen von einem Hexagramm?« fragte ich nach.
»Ja.«
Ich starrte ins Leere, denn mir war ein fast wahnsinnig zu nennender Gedanke gekommen. Dieses Hexagramm hatte sich auch auf meinem Kreuz befunden. Und zwar genau in der Mitte. Von Lilith war es zerstört oder weggerissen worden, damit das Kreuz weniger Macht bekommen sollte. Da es die gleiche Symbolik vertrat wie mein Kreuz, passten auch beide zusammen.
Sollte etwa Salomo sein Zeichen hinterlassen haben? Ich musste inzwischen davon ausgehen, dass er auch einmal mein Kreuz besessen hatte, bevor es auf vielen weiteren Wegen zu mir gelangte.
Oder hatte der Prophet Hesekiel schon von dem weisen König Salomo gewusst, als er das Kreuz während seiner babylonischen Gefangenschaft herstellte?
Auf keine der Fragen würde ich wohl eine klare Antwort bekommen, aber ich war gespannt, wie die Frau auf den Anblick meines Kreuzes reagierte und ob sie etwas davon wusste.
Noch war sie für mich eine geheimnisvolle, schillernde Persönlichkeit.
Sie zeigte uns ihr Äußeres, aber was sich in ihrem Innern verbarg, blieb ein Rätsel. Die Lider hielt sie halb geschlossen, trotzdem ging ich davon aus, dass sie uns beobachtete.
»Eine Frage hätte ich da noch«, sagte Suko. »Sie gehört nur indirekt zum Thema, aber ich will sie trotzdem stellen.«
»Bitte.«
»Wie kommt es, dass Sie sich nicht am Telefon mit Panthera oder Lady Panthera melden.«
Sie lachte auf und fuhr mit den Fingern durch ihre Mähne. »Da würde ich die Anrufer doch nur erschrecken. Außerdem sehe ich mich als zweigeteilte Persönlichkeit an.«
»Können Sie das näher erklären?«
Die schöne Panthera dachte einen Moment nach. »Nein, das kann ich nicht. Später vielleicht. Jetzt hätte ich gern von Ihnen erfahren, weshalb sie mich besucht haben und was Sie genau wollen.«
Ich übernahm wieder den Faden. »Da wir uns für das Leben König Salomos interessieren, stießen wir auf Sie, zwangsläufig.«
»Bestimmt. Aber ist es der einzige Grund? Ich meine, hatten Sie ein Motiv, sich für diesen mächtigen und weisen Herrscher zu interessieren? Würden Sie so freundlich sein, es mir zu nennen, Mr. Sinclair? Dann entscheide ich, ob ich Sie beide in den Club des Königs aufnehmen werde. Schließlich möchte ich nicht die Katze im Sack kaufen.«
»Das ist uns klar. Aus diesem Grunde habe ich Ihnen auch etwas mitgebracht, Madam.«
»Ich bin gespannt.«
Panthera gab sich sehr interessiert. Ob sie es tatsächlich auch war, wollte ich einmal dahingestellt sein lassen. Jedenfalls wurde ich von ihr gespannt beobachtet, als ich unter mein dünnes Leinenjackett griff, auch noch das Hemd am Hals einen Knopf weiter öffnete, um an das Kreuz heranzukommen.
Ich ließ mir dabei Zeit. Suko wusste, was ich vorhatte. Er gab allerdings keinen Kommentar und lächelte vor sich hin. Ich deckte das Kreuz noch mit meiner Handfläche ab, als ich die Kette über den Kopf streifte, ließ sie in den Handteller fallen und drehte die Hand so, dass Panthera das Kreuz sehen musste.
»Das hier ist der Grund!«
Sie saß starr auf dem Platz. Sekunden vergingen, und ich beobachtete sie dabei sehr genau. Noch tat sich in ihrem Gesicht nichts. Es blieb starr, aber plötzlich weiteten sich ihre Augen. Sie besaß tatsächlich grüne Pupillen, und sie stützte sich mit beiden Händen auf den Lehnen ab, um sich in die Höhe zu drücken.
Starr blieb sie stehen. Aufrecht und zitternd.
»Was haben Sie?« fragte ich mit harmlos klingender Stimme.
»Das Kreuz!« keuchte sie. »Das muss es sein. Danach haben wir immer gesucht!«
»Ach - wirklich?«
»Ja!« schrie sie.
Sie ballte die rechte Hand zur Faust und stieß den Arm so wuchtig vor, als wollte sie etwas zur Seite stoßen. »Es ist das Kreuz König Salomos…«
***
Gab es noch einen besseren Beweis für meine Vermutung?
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