0443 - Lady Panthera
Nein, diese Frau wusste Bescheid. Sie kannte sich bei den Vorgängen aus, die vor langer Zeit geschehen waren und bis in die Gegenwart wirkten.
Ich gab keine Antwort. Nur die Hand hielt ich weiterhin ausgestreckt, so dass Dominga Cruz auf das Kreuz schauen konnte. Sie traute sich aber nicht, näher heranzukommen und es anzufassen. Sie schien aus dem Tritt gebracht worden zu sein.
»Sie sagen nichts?« fragte ich.
»Nein, ich will es nicht!« flüsterte sie scharf.
»Aber Sie kennen das Kreuz?«
»Ja, das ist mir schon bekannt.« Ihre Augendeckel begannen zu flattern.
»Nur macht mich etwas stutzig.« Sie verzog den Mund, als hätte sie Schwierigkeiten zu reden. »Es… es fehlt etwas!« sagte sie leise und schaute mich dabei lauernd an.
»Ja, das Hexagramm, das mit geheimnisvollen Zeichen bestückt war.«
Sie zuckte zusammen. »Wo ist es?«
Ich hob die Schultern. »Da war die Hölle einmal stärker als ich. Tut mir leid, ich hätte es gern anders gehabt, aber das war nicht möglich. Die Hölle hatte eine gefährliche Gegnerin geschickt, die ebenso stark wie das Kreuz war.«
»Und Sie haben es nicht verteidigt.«
»Ich versuchte es.«
»Dann sind Sie kein würdiger Träger des Erbes!« hielt sie mir entgegen.
»Nein, das sind Sie nicht, Sinclair. Sie dürfen es gar nicht besitzen. Es muss sich in meiner Hand befinden, denn ich allein weiß von dem großen König Salomo.«
»Da irren Sie sich aber gewaltig.«
»Aber keiner kennt ihn so gut wie ich.«
»Meinen Sie?«
»Ja.« Sie nickte heftig. »Das meine ich. Denn ich habe das Kreuz schon bei ihm gesehen.«
Hinter mir lachte Suko leise auf. »John, da will uns jemand auf den Arm nehmen.«
Ich kannte Suko gut genug. Er war kein Mensch, der durch provozierende Antworten jemand aus dem Tritt bringen wollte, aber in seiner Gegenrede hatte System gelegen.
Sie funkelte uns beide aus ihren grünen Augen an. »Wie können Sie mich als Lügnerin hinstellen? Wie können Sie das behaupten? Sie sind arrogant und haben Salomos große Zeit nicht mitgemacht.«
»Sie denn?« fragte ich und schloss allmählich meine Hand zur Faust, so dass ein Teil des Kreuzes wieder verschwand.
Pantheras Gesicht bekam einen fast schwärmerischen Glanz. »Ja, ich kenne die Zeit. Ich kenne sie sogar sehr gut, denn ich«, sie richtete ihren Blick wieder auf mich. »Habe dort gelebt. Ich habe an seinem Hofe mitgeholfen, ihm zu dienen.« Sie beugte sich vor und legte ihre Hände auf die Glasplatte. »Hört genau zu, ihr beiden. Ich war seine Dienerin. Ich habe ihn aus nächster Nähe kennengelernt. Sonst noch Fragen?« erkundigte sie sich provozierend.
Die Überraschung mussten wir beide verdauen. Zu glauben war es nicht.
Da stand eine Frau vor uns, die sich als Dienerin eines Königs bezeichnete, der über 2000 Jahre tot war, aber wir hatten schon Dinge erlebt, die noch unbegreiflicher waren. Da brauchte ich nur an den Komplex Atlantis zu denken.
»Und Sie haben überlebt«, sagte Suko, der sich schneller gefangen hatte als ich. »Wie war das möglich?«
Der schwärmerische Ausdruck auf ihrem Gesicht verstärkte sich noch.
»Durch sein Blut konnte ich überleben.«
»Ach…«
»Ja, ich habe es getrunken. Ich trank sein Blut, das er mir überließ. Er hat es nur seinen getreuesten Dienern überlassen, und zu ihnen zählte auch ich. Sehr oft habe ich mich in seiner unmittelbaren Nähe aufgehalten, und er zeigte mir Dinge, die er anderen vorenthielt. Dazu gehörte auch das Kreuz. Ich kenne es gut, und ich habe mich immer gefragt, wo es geblieben ist. Wie sagte der König damals schon? Ich werde vergehen, aber das Kreuz wird bleiben. Es wird seinen Weg gehen, denn das haben mir meine Träume berichtet. Und ich glaubte ihm. Bevor er starb, weihte er mich ein. Ich durfte und konnte überleben.«
»So wie Sie jetzt aussehen?« hakte ich nach.
»Nicht ganz…« Sie lächelte hintergründig, wollte sich aber zu keiner Erklärung herablassen.
»Was haben Sie an seinem Hof getan?« wollte ich wissen. »Waren Sie nur seine Dienerin?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe in seinem gewaltigen Schloss die Raubtiere gezähmt. Meine Spezialität waren Panther. Zu ihnen hatte ich ein hervorragendes Verhältnis. Sie waren meine Freunde, standen auf meiner Seite, ich liebte sie und lebte mit ihnen zusammen.«
»Sie haben grüne Augen«, stellte ich fest.
»Wie die Panther, nicht?«
»In der Tat.«
Um ihre Lippen zuckte ein Lächeln. »Vielleicht bin ich auch eine Pantherin? Sie
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