0443 - Lady Panthera
liegenblieb, nur den Kopf hob und nach vorn schaute.
Suko lag auf den Stufen. Er wirkte platt, bewegte nicht einmal seine Fingerspitzen und bekam jedes Mal das leise Pfeifen mit, wenn der tödliche Stahl über ihn hinwegfuhr.
Das war schon nervenaufreibend, aber nicht lebensgefährlich. Sehr bald merkte Suko dies. Durch Arme und Beine lief das Zucken, als Suko sich in Bewegung setzte und sehr vorsichtig über die Kanten der Stufen nach unten glitt.
Auch er schaffte es, der Klinge zu entwischen. Als wir uns beide gegenüberstanden und uns anschauten, lag der dicke Schweiß auf den Gesichtern, und das Entsetzen stand in unseren Augen.
»Himmel, das war knapp!« flüsterte mein Partner. »Danke, John, dass du mich gerettet hast.«
»Vergiß es.«
Suko schaute sich um und starrte das schwingende Todespendel an.
»Welcher Satan lässt sich so etwas einfallen?«
»Das war eher eine Satanin.«
»Panthera, meinst du?«
»Wer sonst?«
»Wenn die Dame vom Hofe Salomos noch mehr solcher Tricks auf Lager hat, werde ich mit ihr mal ein persönliches Wörtchen reden. Darauf kannst du dich verlassen.«
»Falls der Panther es zulässt.«
»Ach, vergaß ihn.«
Ich wandte mich einem anderen Thema zu. »Vorbei kommen wir, Suko. Wir brauchen uns nur nahe einer Wand zu halten.«
»Ist zwar nicht schön, aber selten.«
»Und Luft bekommst du auch noch. Was willst du mehr?« fragte ich ihn und machte diesmal selbst den Anfang.
Ich betrat die letzte Stufe dicht an der rechten Seite. Natürlich beobachtete ich das schwingende Pendel und hatte beim ersten Mal den Eindruck, als würde es mich trotzdem erwischen.
Aber es schwang vorbei. Zum Glück war es so konstruiert, dass es die Richtung nicht seitlich ändern konnte. Mit dem Rücken schabte ich an der Wand entlang, als ich die nächsten Stufen hochging und dabei die Tür nicht aus den Augen ließ.
An das Pendel hatte ich mich gewöhnt. Wenn es vorbeihuschte, sah ich mein Gesicht jedes Mal wie in einem Spiegel. Nur verzerrt und auch in die Breite gezogen.
Unbeschadet erreichte ich die Tür. Lässig winkte ich Suko zu. »Du kannst kommen, Alter. Aber du bist dicker. Hättest vorher eine Diätkur machen sollen.«
»Wir stellen uns so bald wie möglich auf die Waage.«
»Da gewinnst du doch, weil du einen Kopf kürzer gemacht worden bist.«
»Witzbold.«
Suko war sehr konzentriert, als er die Treppe hochschritt. Und auch er schaffte es, an diesem verfluchten Pendel vorbeizukommen. Er bewies sogar Galgenhumor, als ihm ein makabrer Spontispruch über die Lippen kam. »Alle gingen neben dem Sarg - nur nicht Hagen, der wurde getragen.«
»Sei froh, dass ich dich nicht tragen muss«, erwiderte ich und drückte die Tür auf. Meine Beretta hatte ich gezogen, doch das dunkle Loch der Mündung zeigte in einen Hausflur, der nach Abbruch roch. Angegriffen wurden wir nicht, und als wir leuchteten, entdeckten wir auch keinen Menschen, dafür aber ungewöhnliche Abdrücke im Staub.
Suko schaute sie sich genauer an. »Das sind Panther-Spuren«, sagte er.
»Unsere Freundin muss hierher geritten sein.«
»Und wohin?«
»Das werden wir wohl irgendwann noch herausfinden, hoffe ich.«
Ich blieb stehen und dachte nach. »Sie hat von mehreren Dienern gesprochen. Ihren Panther wird sie dabei wohl nicht gemeint haben.«
»Glaube ich auch.«
»Also Menschen.«
»Die zu finden sein müssten!« vollendete ich.
Ich glaubte nicht daran, dass sich Lady Panthera auf ein Raubtier setzte und durch London ritt. Das war zu riskant. Auch wenn sie stark und mächtig war, zu großes Aufsehen sollte nach Möglichkeit vermieden werden.
Sie würde in der Nähe bleiben. Es sei denn, sie besaß die Gabe, sich unsichtbar machen zu können. Dann sahen wir mies aus.
Suko war schon vorgegangen. Wie Schatten waren wir in den düsteren Hausflur eingetaucht. In diesem Bau schien keiner zu leben, wahrscheinlich war er schon abbruchreif.
Wir fanden eine Tür, die verhältnismäßig stabil aussah. Durch sie schritten wir ins Freie und in eine komische und anders gelagerte Welt. Es war finster geworden, und die Schwüle hatte zugenommen. In der Nähe war es still, aber die dumpfe Luft trug die Geräusche aus der Ferne an uns heran.
Der Inspektor schüttelte den Kopf. »Das gefällt mir überhaupt nicht«, murmelte er.
»Ebenfalls.«
»Eine Ruhe vor dem Sturm, aber Panthera wird den Orkan entfachen, falls wir nicht achtgeben. Willst du nach Spuren suchen?«
»Nein, die verlaufen sich auf der Straße.
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