0443 - Lady Panthera
Langeweile herrschte.«
»Und du gehörtest auch dazu?«
»Ja, ich war eine Frau, die mit Panthera spielte. Ich hatte sie gezähmt, dem König damit sehr imponiert, so dass er mich in seinen engeren Kreis aufnahm. Er vertraute mir manche Geheimnisse an, unter anderem sprach er auch von seinem besonderen Blut und von dem Kreuz, das er mir einmal in einer schwachen Stunde zeigte. Er redete über die Macht, die ihm das Kreuz verliehen hatte. Es war eine Macht, in der das Wort Gewalt nicht vorkam, das merkte ich später, als jemand anderer mit mir Kontakt aufnahm und mir alles versprach.«
»Wer war es?«
»Das behalte ich für mich, aber er brachte mich von Salomo ab. Er hat zuerst vom Blut des Königs gesprochen, von einer nahezu magischen Zusammensetzung, die demjenigen, wenn er es mit gewissen Ingredienzien vermischt, langes Leben gibt. Ich war davon fasziniert, wollte die Zutaten wissen, aber der andere stellte seine Bedingungen. Ich war dazu ausersehen, dem König das Kreuz abzunehmen.«
»Was nicht gelang.«
»Nein, trotz der drei von mir bestochenen Leibwächter. Sie wollten dem König sein eigenes Zeichen entgegensetzen, ein Hexagramm, das magisch aufgeladen war. Eines nachts überfielen wir den König. Ich hatte ein Messer bei mir. Als Salomo schlief, wollte ich zuerst sein Blut, schnitt eine Wunde in den Oberarm und fing das Blut auf. Ich hätte ihm die Kehle durchtrennen sollen!« schrie sie voller Hass, »denn er wachte auf und konnte sich durch das Kreuz wehren. Noch während wir uns im Zimmer befanden, traf uns sein Fluch, der immer anhalten sollte. Wir konnten fliehen und gelangten zu unserem Götzen. Der hörte sich unsere Geschichte an. Wir rechneten mit dem Tod, er aber ließ Gnade vor Recht ergehen und nahm uns das Versprechen ab, ihm irgendwann einmal das Kreuz zu besorgen. Die Zeit spielte dabei keine Rolle. Hunderte oder Tausende von Jahren, was ist das schon im Vergleich zur Ewigkeit! Durch seine Kraft und Magie sorgte unser phönizischer Gott für eine magische Verlagerung des Tranks, so dass wir leben konnten. Er gab mir sogar den Panther als Schutz an meine Seite, und so überlebte ich die langen Jahre. Ich wusste, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, um das Kreuz zu erlangen, jetzt ist er da. Du hast es, du bist ein Erbe des von mir verhassten Königs, und ich werde dir das Erbe abnehmen.«
»Wem willst du es geben?« fragte ich.
»Meinem Götzen.«
»Sag mir endlich den Namen!« forderte ich sie auf.
»Es ist…« Sie legte noch eine kleine Pause ein und gab ihrer Stimme einen leichten Klang von Ehrfurcht. »Es ist -Baal!«
***
In einer anderen Situation hätte ich mir gegen die Stirn geschlagen. In diesem Augenblick empfand ich es als unpassend. Dass es Baal gewesen war, hätte ich mir denken können, weil Lady Panthera von einem phönizischen Götzen gesprochen hatte.
Und Baal war in grauer Vorzeit tatsächlich von den Phöniziern verehrt worden.
Ich glaubte ihr aufs Wort, dass er hinter dem Kreuz her war. Den Dolch hatte er ja schon für eine Weile besessen. Meine stärkste Waffe fehlte ihm noch in der Sammlung.
»Ja«, gab ich nickend zu. »Baal ist mächtig. Das muss ich eingestehen, Panthera.«
»Zu mächtig für dich!«
»Das möchte ich dahingestellt sein lassen, aber hat er tatsächlich das Blut des Königs mit seiner magischen Kraft angereichert?«
»Weshalb sollte ich dich belügen?«
»Es war nur eine Frage, weil ich wissen wollte, ob es auch dich am Leben erhält.«
»Das stimmt. Ich brauche das Blut, aber ich kann nur in der Nacht leben. Am Tage bin ich tot, da herrschen die Kräfte des Lichts. Nur die Nacht gehört mir. Baal hat dafür gesorgt, dass ich, wenn ich das Blut trinke, mich auflösen kann. Da wird der tote Körper mit dem lebenden zusammengeführt. Denn eigentlich existiere ich zweimal. Einmal als Tote, dann wieder als Lebende. Die drei jungen Männer haben mich als Tote entdeckt, während ihr mich als Lebende vor euch gesehen habt. Doch dann verschwand ich vor euren Augen, und mein toter Körper wurde wieder beseelt. Auch der Panther erwachte. Wir beide wurden zu Geschöpfen der Nacht, angetrieben von Salomos Blut und von der Macht des Götzen Baal. Das ist die Lösung des Rätsels, die ich dir gegeben habe, weil du keine Chance mehr hast. Ich werde mir das Kreuz jetzt holen. Der Panther schützt mich. Er wird dich zerreißen, wenn du dich weigerst und…«
Ich unterbrach sie. »Darf ich es dir bringen?« fragte ich.
Sie zeigte sich irritiert.
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