0446 - Der Fluch aus dem Grab
tiefenpsychologischer Berater genannt.
Banion war gewissermaßen die letzte Station, die Gladys ansteuerte.
Wenn es bei ihm nicht klappte, wollte sie nichts mehr versuchen.
Der Mann hatte sie von der ersten Begegnung an fasziniert. Er war eine gewaltige Gestalt, größer als die meisten Menschen, bärtig, dunkelhaarig, und in seinem Gesicht fielen außer dem Bart eigentlich nur die Augen auf, deren Blick die Seele eines Menschen erfassen konnte.
Die Pupillen waren von einem blassen Blaugrün, das sich allerdings verändern konnte, wenn er sich auf eine bestimmte Person konzentrierte.
Das tat er bei Gladys auch.
So geriet die Frau allmählich in den Bann dieses geheimnisvollen Mannes, und beim zweiten Treffen berichtete sie von ihren Sorgen und Wünschen.
Banion hatte sie lange angeschaut und dann gefragt: »Sind Sie tatsächlich gewillt, mit den Toten Kontakt aufzunehmen?«
»Ja.«
»Und sie würden alles dafür hergeben?«
Sie hatte die Arme ausgebreitet und gesagt: »Ich habe doch nichts, das ich hergeben könnte. Ich bin nicht reich…«
»Doch.« Sie war von ihm unterbrochen worden. »Sie haben etwas. Ihr Leben nämlich.«
Da hatte sie gestutzt. »Und das soll ich hergeben?«
»Manchmal reagieren unsere Freunde im Jenseits für uns verständlich, Gladys. Vielleicht will Ihr Mann, dass Sie zu ihm kommen. Sie haben doch sehr aneinander gehangen.«
»Ja, das stimmt.«
»Dann wäre es nur natürlich, dass Ihr Mann Sie will.«
Gladys hatte nichts mehr geantwortet. Miles Banion sah ein, dass er zu weit gegangen war, schwächte seine weiteren Formulierungen ab und gab ihr eine Bedenkzeit von zwei Tagen. »Danach kommen Sie zu mir und sagen mir, wie Sie sich entschieden haben.«
»Was geschieht danach?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Es kommt auf die Reaktion Ihres verstorbenen Mannes an.«
Sie hatte den Bärtigen lange angeschaut und dabei das Gefühl gehabt, in den Augen ertrinken zu müssen wie in einem See. »Kann ich Ihnen vertrauen, Mr. Banion?«
»Bestimmt.«
Gladys Morton war gegangen. Es begannen abermals zwei schreckliche Tage. Sie verglich sie mit denen nach der Beerdigung ihres Mannes. Sie hatte nur in ihrer Wohnung gesessen und nachgedacht. Hin und her, das Für und Wider hatte sie abgewägt und war schließlich zu dem Entschluss gekommen, dass sie es machen würde.
Die Sehnsucht war einfach zu groß…
Miles Banion hatte sie schon erwartet. An der Tür empfing er eine Frau, die in den letzten zwei Tagen von Selbstzweifeln geplagt worden war.
Und das zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Gladys war gealtert. Tiefe Falten durchfurchten die blasse Haut. Das graue Haar wirkte ungepflegt, einige Strähnen rutschten immer wieder in ihr Gesicht.
Er hatte ihr etwas angeboten, das sie auch trank. Es war irgendein Gebräu, das gut tun sollte. Gladys erlebte ein völlig neues Gefühl. Es war so, als würde sie allmählich wegfliegen, und jeder Schritt, den sie ging, kam ihr traumhaft vor.
So schwebte sie in sein Beratungszimmer und wurde gebeten, sich auf die Ledercouch zu legen.
Banion setzte sich neben sie. In der Hand hielt er ein Pendel, das aussah wie ein menschliches Herz und in einem düsteren Rot schimmerte. »Sie werden nur Augen für dieses Pendel haben, Gladys«, sagte Miles Banion. »Nur dafür.«
»Ja.«
»Es ist das Herz des Hexers Miles Banion. Er ist lange tot, aber ich habe seinen Namen angenommen. Das Herz und der Schädel waren die wichtigsten Dinge. Nur beide zusammen garantierten mir den Erfolg, den ich brauche.«
Während seiner Worte hatte er das ungewöhnliche Pendel schwingen lassen, und es hatte die Frau in den Bann gezogen. Das Herz eines Menschen, der sich selbst als Hexer bezeichnet hatte, war schon etwas Besonderes.
»Du hast dich entschieden, mit dem Jenseits Kontakt aufzunehmen. Du willst deinen geliebten Mann sehen, und du hast mir vertraut. Ich werde dein Vertrauen nicht enttäuschen, Gladys. Deshalb gebe ich dir die Chance, einen Blick ins Jenseits zu werfen. Aber nichts ist umsonst. Man kann die Geister nicht tanzen lassen.. Oft genug greifen sie ein und stellen außergewöhnliche Forderungen. Deshalb frage ich dich noch einmal: bist du bereit, dein eigenes Leben hinzugeben, ohne dass es dich reut?«
Sie schaute gegen das Pendel. Dahinter befand sich eine Lampe mit violettem Schirm, der das helle Licht in eine dunkle Farbe verwandelte.
Alles war geheimnisvoll in dem Raum. Die normale Luft schien sich verändert zu haben. Ein Hauch aus einer
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