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0446 - Höllenfrost

0446 - Höllenfrost

Titel: 0446 - Höllenfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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andere Behausung. Eine weit größere. Sein Geist war groß, und groß mußte sein Haus sein.
    Über ihm war der Sternenhimmel.
    Vor ihm war die Schneefläche.
    Er dachte an die Warnungen. Und als er hinausging, berührten seine Füße den Schnee nicht. Julian hinterließ keine Spuren, die zum Höhleneingang zurückzuverfolgen waren. Er schwebte über dem Schnee.
    So, wie er als Fürst seiner stabil gewordenen Traumwelt geschwebt war. Eine Traumwelt, in die andere Wesen eingedrungen waren. Der Neger Ombre. Der Dämonenjäger Zamorra und seine Begleiterin, die Freunde seines Vaters waren. Und - Shirona.
    Er erinnerte sich.
    Shirona. Die blonde Fremde, die ihm Widerstand leistete. Und die - was er zu spät erkannte - das Gesicht seiner Mutter besaß. Oder seiner Tante - die Peters-Zwillinge glichen sich äußerlich völlig.
    Und der Anführer seiner Söldner, die ihm bedingungslos gehorchten… die Söldner hatten Gesichtsmasken getragen, aber als dem Anführer die Maske entfernt wurde, hatte er das Gesicht von Julians Vater Robert Tendyke!
    Das verstand Julian nicht.
    Ihm war bewußt, daß er körperlich in einer Phase war, die die Menschen Pubertät nannten. Das färbte natürlich auch auf seine Psyche ab. Und es gab viel, das er wollte, ohne zu wissen, wie und warum.
    Mädchen…
    Er hatte sie in seiner Traumwelt als unterwürfige Sklavinnen gehabt. Oder als Gegnerinnen, die er bezwang. Aber daß eine der Frauenfiguren das Gesicht seiner Mutter besaß, bestürzte ihn, machte ihm Angst. [4]
    Das wollte er nicht!
    Dagegen mußte er kämpfen!
    Aber um kämpfen zu können, mußte er der Herr seiner Träume werden. Er mußte sich selbst erkennen.
    Und er schritt immer weiter hinaus in die Einsamkeit. Den Rückweg würde er mit untrüglicher Sicherheit finden, und Spuren im Schnee hinterließ er nicht.
    ***
    Phil Briggs bewegte sich durch die Dunkelheit der Schneewelt. Über ihm glitzerten Sterne. In seiner Tasche steckte das zusammengefaltete Papier, auf dem die Frau, die sich Shirona nannte, ihn von dem Pakt mit der Hölle entband, wenn er seinen Auftrag erfüllte. Dieser Auftrag war im Text genau definiert. Die Schrift glänzte tiefschwarz. Die Dämonin hatte mit ihrem eigenen Blut geschrieben. Das hatte Briggs davon überzeugt, daß sie wirklich meinte, was sie sagte. Mit diesem Papier würde er sie notfalls zwingen können, ihn freizugeben, wenn sie ihn hereinlegen wollte.
    Er fragte sich, was die Schwarzhaarige damit bezweckte. Doch wer konnte schon die Gedankengänge der Nichtmenschlichen begreifen?
    Er dachte an seinen Auftrag. Sich einem bestimmten Ort nähern, und dem Telepathenkind mitteilen, Shirona befände sich in dem Gasthaus in Quinhagak!
    Wer oder was war das Telepathenkind? Darunter konnte er sich nichts vorstellen. Gut, ein Telepath war jemand, der die Gedanken anderer Menschen lesen konnte. Soviel wußte er; er war schließlich nicht ganz ungebildet, auch wenn er sich zeitlebens mehr in der Wildnis herumgetrieben hatte, als sich mit der Zivilisation und ihrer Kultur herumzuschlagen.
    Sicher, mit seiner Fähigkeit würde ein Telepath natürlich ihn, Briggs, erkennen, aber wie sollte er umgekehrt herausfinden, ob er es mit einem Gedankenleser zu tun hatte? Und warum ging die Dämonin nicht selbst dorthin?
    Diese Frage war am leichtesten zu beantworten. Mit ziemlicher Sicherheit wollte sie das Telepathenkind in eine Falle locken. Vielleicht töten.
    Phil Briggs unterdrückte seine aufkommenden Gewissensbisse. Erstens würde ein Telepath eine Falle rechtzeitig in den Gedanken des Fallenstellers erkennen, und notfalls auch in seinen, Briggs'. Gedanken. Deshalb redete der Trapper sich ein, daß für den Telepathen keine Gefahr bestand. Die warnende Stimme seines Unterbewußtseins, daß auch Shirona daran gedacht haben mußte und vermutlich entsprechende Maßnahmen getroffen hatte, verdrängte er einfach.
    Außerdem ging es um seine Seele.
    Er konnte dadurch seine Freiheit erhalten. Da mußte es ihm einfach egal sein, was aus jemandem wurde, den er nicht einmal kannte.
    Die Schuld, die er auf sich lud, konnte gar nicht so groß sein, daß sie ihn in die Hölle bringen würde - weil ja für einen Telepathen keine Gefahr bestand.
    Er bewegte sich zwischen zwei Stimmungen. Einerseits Mißtrauen, weil plötzlich, kurz vor Ende seines Pakts, alles so einfach zu gehen schien. Nach all den Fehlschlägen, den Teufel auszutricksen! Andererseits aber ein Triumphgefühl, weil mit diesem Auftrag und mit dem schriftlichen

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