0447 - Der Drachen-Meister
einschleusen. Das Fatale war, daß derjenige nicht dämonisiert sein durfte. Er durfte keinem schwarzmagischen Einfluß unterliegen, ansonsten, würde die weißmagische Barriere ihn nicht durchlassen.
Stygia wußte noch nicht, was sie tun konnte. Aber sie mußte die Hölle verlassen, um eine bessere Ausgangsposition zu erreichen.
Sie gab ihre Beobachtung über den Fingernagel-Zauber und den Spiegel des Vassago vorübergehend auf und versetzte sich in die Welt der Sterblichen.
Es war Nacht über Frankreich.
Die beste Möglichkeit, etwas auszuprobieren…
***
Ailita war dem Feuerstrahl des Drachen gerade noch entkommen. Die Glutwelle war über sie hinweggefaucht, als sie sich fallen ließ. Ehe der Drache wieder Atem holen konnte, hatte Ailita aufspringend und laufend die Entfernung wieder etwas vergrößert. Und dann hatte sie die Abzweigung gesehen.
Das heißt, aufgefallen war sie ihr schon, als der Feuerstrahl die Röhre erleuchtete, aber daß es eine Abzweigung war, erkannte sie erst, als sie direkt daneben war und hinter ihr abermals glühende Helligkeit aufloderte. Sofort warf sie sich in den Spalt. Sie hoffte, daß der Drache es nicht bemerkte, daß er vom Licht der eigenen Flammen geblendet war und sekundenlang nicht sehen konnte, was Ailita tat.
Abermals nahm Finsternis sie auf.
Sie tastete sich tiefer in die Spalte hinein. Hinter sich sah sie noch einmal Licht. Dann hörte sie den Drachen brüllen und rumoren. Gestein rumpelte und knarrte. Der Drache brüllte noch lauter.
Plötzlich begriff Ailita, daß er festsaß.
Sie konnte es zwar nicht sehen. Aber sie wußte, daß er ein ungeheur großes Wesen war. Und der Gang war nicht sonderlich ausgedehnt an dieser Stelle. Er hatte sich stark verengt, und der ihr schnaubend folgende Drache hatte sich in seiner Gier festgekeilt.
Der Seitengang machte eine starke Krümmung. Schon war vom Hauptgang nichts mehr zu sehen, in dem immer wieder Licht aufgeblitzt war, wenn der Drache wieder Feuer spie. Der Seitengang schien zurück in Richtung der Felsenhöhle zu führen. Das war es zwar nicht unbedingt, was Ailita sich ersehnte, aber die andere Richtung gefiel ihr im Moment auch nicht. Selbst wenn der Drache nicht mehr weiter voran kam, mußte er bereits dicht vor der Abzweigung steckengeblieben sein. So dicht, daß er Ailita auf jeden Fall mit seinem Feuer verbrennen konnte, wenn sie wieder herauskam, um ihre Flucht fortzusetzen.
Sie dachte wieder an den jungen Echsenreiter, der ihr diese Flucht erst ermöglicht hatte. Vielleicht konnte sie wieder mit ihm Zusammentreffen. Vielleicht wußte er einen Ausweg. Immerhin war er auch überraschend aufgetaucht, um sie zu retten. Es mußte also mindestens einen Weg hinaus geben; die schwarzen Röhren führten also nicht unbedingt in Sackgassen oder ein Drachennest.
Wenn sie ihrem. Orientierungsvermögen vertrauen konnte, hatte dieser Seitengang die Form eines verzerrten Halbkreises, führte also wieder in den dunklen Hauptgang zurück. In der Tat näherte sie sich ihm, hörte plötzlich keuchenden Atem und das Scharren und Tappen eines nahenden massigen Körpers!
Noch ein Drache!
Sie erschrak. Sie hatte gehofft, den Seitengang hinter dem festgeklemmten Ungeheuer wieder verlassen zu können, aber wenn der andere Drache ebenfalls hereingekommen war, ging das natürlich nicht mehr. Dann saß sie hier vorläufig fest und war davon abhängig, was diese Bestie nun tun würde.
Sie tat etwas: sie spie Feuer.
Helligkeit blitzte auf, flammte heran und zeigte Ailita, daß sie unmittelbar vor der Einmündung in den Hauptgang stand, aber sie zeigte ihr auch den jungen Echsenreiter, dem der Feuerstrahl galt.
Ailita handelte blitzschnell.
Sie griff zu und zerrte ihn in den dunklen Spalt. Das Feuer verfehlte ihn um Haaresbreite.
Ailita zog ihren Retter mit sich in den dunklen Seitengang. Hier hinein konnte keiner der Drachen. Selbst Feuer hineinzuspeien, war unmöglich. Der Gang war zu schmal, zu gekrümmt. Sie waren hier sicher.
Vorerst.
Aber was dann? Sie saßen fest, waren Gefangene der Drachen…
***
In dieser Nacht geschah in einem Depot der Sûreté Nationale in Paris etwas Seltsames, über das anschließend keine Zeitung und kein Rundfunksender berichtete. Überwachungskameras registrierten einen Schatten, der mitten im Depot auftauchte, einen Gegenstand an sich, nahm und wieder verschwand. Dann wurde das Bild dunkel; es stellte sich heraus, daß die Aufnahmelinsen der Kameras geschmolzen waren. Der Gegenstand blieb
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