0449 - Das Schreckgespenst
Bett.
Ich suchte im Wohnraum einen Platz. Ein Sessel konnte gekippt und gleichzeitig verlängert werden.
In ihm schlief ich bis zum frühen Morgen, ohne daß etwas geschehen wäre…
***
Rudy hockte in der Zellenecke wie ein verängstigtes Tier. Aus großen Augen starrte er zu seinem Chef hoch, der aufgerichtet vor ihm stand und seine Hände in die Jackettaschen geschoben hatte.
Die Zelle war furchtbar. Sie besaß nicht einmal ein Fenster, nur kahle, gelblichweiße Wände. In der gleichen Farbe war auch die Tür gestrichen worden, so daß sie sich kaum von den Wänden abhob.
Allerdings besaß sie in der Mitte ein kleines Guckloch. Es besaß eine Weitwinkeloptik. Der Betrachter konnte somit die gesamte Zelle überblicken.
Ampitius kam näher. Die Augen hinter der dunklen Brille waren nicht zu erkennen, aber bei jedem Schritt, den der Mann tat, zuckte Rudy zusammen, und seine Furcht verstärkte sich.
In Greifweite blieb der Arzt vor seinem Patienten stehen.
»Weshalb, Rudy, hast du das getan? Los, gib mir eine Antwort! Du bist hier verschwunden, Warum?«
Rudy fuhr mit zuckenden, fahrigen Bewegungen durch sein Haar.
»Ich mußte es, ich mußte es…«
»Weshalb?«
»Es hat mich gerufen!«
»Wer hat dich gerufen, Rudy?«
Rudy rieb jetzt seine Hände. »Das Monstrum, das Haus. Ich… ich habe es gesehen.«
»Wirklich?«
»Ja.«
»Wo hast du es gesehen?« flüsterte Ampitius. »Los, raus mit der Sprache! Wo ist es dir begegnet?«
»Hier…«
»Ach, wirklich?« Ampitius lächelte, als könnte er die Worte nicht glauben.
Rudy schaute sich ängstlich um. »Ja, ja, es war hier in der Klinik. Auf dem Gang.« Er senkte seine Stimme, so daß sie nur mehr ein Hauch war. »Ich hörte es schleichen.«
»Und wo wollte es hin?«
»Zu mir.«
»Was hat es mit dir gemacht?«
»Es kam an die Tür. Es öffnete sie.« Rudy begann zu kichern.
»Dann war es wieder weg.«
»Wie sah es denn aus?«
»Furchtbar, Doktor, furchtbar. Es hatte vielleicht Angst vor mir. Es packte mich nämlich nicht, es strich vorbei.«
»Und dann bist du rausgekommen.«
»So ist es.«
»Weshalb bist du zum Haus gegangen? Du hättest auch woanders hinlaufen können.«
»Nein, ich mußte hinterher.«
»Hinter ihm?«
Rudy nickte, und Ampitius drehte sich um, weil er die Zelle verlassen wollte.
»Nein!« rief Rudy, »laß mich nicht allein. Die Nacht ist noch lang. Er kann zurückkehren.«
Der Arzt drehte sich um. Sein Mund zerfloß zu einem breiten Grinsen. »Vielleicht will er das. Du hast ihn geärgert. Du hast andere auf seine Spur gebracht, Rudy. Das hättest du nicht tun sollen. Ist dir das klar? So ungehorsam, wie du gewesen bist, das gefällt mir gar nicht, Rudy.« Er öffnete die Zellentür und ging.
Rudy blieb zurück und zuckte zusammen, als die Tür mit einem dumpfen Geräusch zufiel. Er wußte ja, daß er einen Fehler gemacht hatte. Aber hatte man ihn nicht dazu gezwungen? Ja, er war gezwungen worden, und jetzt wollte er keine Vorwürfe hören.
Das Gespenst hatte es ihm befohlen, und Rudy tat immer das, was man ihm befahl.
Auf dem Zellenboden hockte er und war in sich zusammengekrochen. Jetzt stand er auf. Sein Anzug war zerknittert und roch nach Schweiß. Schweiß klebte auch auf Rudys Gesicht, er senkte den Blick und stierte auf seine leere rechte Faust.
Ja, wenn er noch das Messer gehabt hätte. Die Waffe mit dem kurzen Griff und der langen Klinge. Er hatte es einfach an sich genommen, weil es ihm befohlen worden war. Da durfte sich der Doktor nicht aufregen. Nein, das war nicht gut.
Rudy hustete trocken. Auch sein Hals war ausgedörrt. Wieder wischte er die Lippen blank. Sie sahen jetzt rissig aus wie alte Gummischläuche. Einen Schritt trat er von der Wand weg in die Mitte des Raumes hinein, wo er stehenblieb, den Kopf in den Nacken legte und gegen die Decke starrte.
Auch sie war glatt und gelbweiß gestrichen. Die Lampe bestand aus dem Oval einer Leuchtstoffröhre. Ihr Schein war kalt. Er fiel auch auf die liegenartige Pritsche, die Rudy als Lager diente. Das Licht konnte nur von außen ein- und ausgeschaltet werden. Die Wärter sorgten stets für den Rhythmus.
Er fragte sich, weshalb es jetzt noch brannte, wo es doch schon dunkel war. Wollten sie ihn ärgern? Sicher, bestimmt hatte sich der Arzt eine Strafe ausgedacht. Und er wußte auch, daß Rudy bei hellem Licht keinen Schlaf finden konnte.
Er ging bis zu seinem Bett, kauerte dort geduckt nieder und spielte mit seinen Fingern. Dabei atmete er heftig und
Weitere Kostenlose Bücher