0449 - Der Tod im Mädchen-Pensionat
gemacht hatten, und zwar anderthalb Stunden vor der Zeit, zu der Mockton noch mit ihm gepokert haben wollte.
»Was jetzt?« wollte Phil wissen. »Kaufen wir uns Mockton?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Das hat keinen Zweck. Er wird einfach sagen, daß er sich geirrt hätte. Und er wird ein paar Zeugen bringen, die er sich inzwischen eingekauft und vorbereitet hat. So einfach legst du einen Kerl wie Mockton nicht aufs Kreuz. Nein, Phil. Den lege ich mir auf Eis. Wenn ich Bill Mockton das nächste Mal gegenübertrete, habe ich einen richterlichen Haftbefehl in der Rocktasche, ein Paar Handschellen in der linken und die Dienstpistole in der rechten Hand.«
So dachte ich mir das damals. Aber die Begegnung kam auf eine andere Weise zustande.
»Können wir gehen?« fragte Phil, gähnte langgezogen und sah mich erwartungsvoll an.
Ich stand auf.
»Sicher. Ich möchte noch eine Mütze voll Schlaf mitkriegen.«
Ich fuhr in den Trenchcoat. Phil setzte sich den Hut auf. Da klopfte es kurz, aber energisch an die Tür.
»Come in!« knurrte ich, nicht gerade begeistert.
Sue Barrington schob zuerst den Kopf durch den Türspalt, sah, daß Phil Und ich allein waren und trat ein. Jetzt trug sie hautenge grüne Hosen, eine plissierte Bluse gleicher Farbe und goldene Sandaletten. Wenn sie nicht zum Anbeißen hübsch war, dann gab es überhaupt keine hübschen Mädchen. Aber trotzdem war ich müde und wollte nach Hause.
»Miß Barrington«, fing ich also behutsam an.
»Wie förmlich«, erwiderte sie und rümpfte das Näschen. »Sie können ruhig Sue zu mir sagen. Ihnen erlaube ich das.«
Die Königin von Saba hätte nicht huldvoller sein können. Sue setzte sich auf die Schreibtischkante, baumelte mit den schönen langen Beinen und meinte sinnend:
»Obwohl ich ja eigentlich ein bißchen enttäuscht von der Polizei bin.«
»Wie wär es«, schlug ich hoffnungsvoll vor, »wenn Sie uns das nach neun Uhr erzählen würden? Es ist doch schon bald vier und die paar Stunden werden Sie es doch noch aushalten — Oder?«
Sie zuckte leichthin mit den Achseln.
»Ich schon«, erwiderte sie kühl.
»Aber?«
»Die anderen nicht, die haben mich ja geschickt.« Plötzlich bekam sie einen roten Kopf. Sie räusperte sich und betrachtete ihre makellos gepflegten Hände so intensiv, als vermute sie hinter ihren Fingernägeln den Stein der Weisen. »Die Mädchen denken nämlich, daß ich in Sie verliebt bin.«
Ich fiel auf den Drehstuhl zurück. Phil schüttelte ganz langsam den Kopf und sah mich an, als hätte er ein moralisches Ungeheuer vor sich.
»T—t—t—t—t!« sagte er.
»Ah, ja«, sagte ich. Was sollte ich auch sonst sagen?
Nachdem sie mich mit einem nachdenklichen Blick aus ihren verteufelt hübschen Augen bedacht hatte, erklärte sie unentschieden:
»Ich weiß noch nicht, ob ich in Sie verliebt bin. Aber das spielt ja im Augenblick auch keine Rolle. Jedenfalls haben mich die anderen geschickt, weil sie das dachten.«
»Und was wollen die anderen?« seufzte ich.
»Na, sie sind eben von der Polizei enttäuscht.«
Na, diese Hiobsbotschaft konnte ich ertragen. Ich stand auf, rückte mir den Hut zurecht und wollte zur Tür.
»Augenblick mal«, sagte Phil.
Ich drehte mich um. Er saß noch immer. Manchmal kann er einem auf die Nerven gehen.
»Was willst du denn jetzt noch?« fragte ich ärgerlich.
»Warum sind Ihre Kameradinnen von der Polizei enttäuscht?« erkundigte sich Phil.
Ich verdrehte die Augen. Der Bursche tat ja geradeso, als würde ihm das schlaflose Nächte bereiten.
Sue dagegen fand es in Ordnung, daß sie wenigstens von Phil respektiert wurde.
»Daß Verbrechen geschehen, wissen wir alle«, erklärte sie ernst. »Aber daß unser Schmuck — der Schmuck von fünfzig Mädchen immerhin — aus unseren Zimmern gestohlen wird, während es auf dem ganzen College-Gelände nur so von Polizisten wimmelt, das finden wir eben doch ein bißchen enttäuschend.«
Ich setzte den Hut wieder ab.
***
»Das war ein Fachmann«, meinte Phil eine halbe Stunde später. »Ein Amateur hätte nicht die Nerven gehabt, fünfzig Zimmer nacheinander abzusahnen.«
»Stimmt«, bestätigte ich. »Es war ein Fachmann, und er behielt die Ruhe, weil er die Gelegenheit ganz genau ausbaldowert hatte. Er wußte von dem Fest, und er wußte, daß die Mädchen der beiden Oberklassen in der Turnhalle sein würden, während die etwa zwanzig Mädchen der ersten Klasse noch gar nicht im College sind. Er konnte in aller Ruhe von Zimmer zu Zimmer
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