0449 - Der Tod im Mädchen-Pensionat
halten.
Ich warf mich herum, entdeckte eine dünne Stelle in der Hecke und gab Sue einen Stoß, daß sie hineinflog. Eine halbe Sekunde später riß ich meinen Dienstrevolver aus der Schulterhalfter, jagte einen Schuß in die Luft und hechtete mit vollem Schwung auf die Hecke. Sie war zu hoch, als daß man mit einem Satz hätte hinüber kommen können. Und das Pech hielt an diesem Mittag zu mir. Mit dem rechten Arm und dem linken Hosenbein verfing ich mich in den sperrigen Ästen, hing einen Augenblick kopfüber und zappelnd auf der inneren Seite der Hecke, rutschte langsam ein bißchen tiefer und stürzte endlich ab.
Hinter mir auf der Straße hörte ich undeutlich das Getrappel der Männer, den laufenden Motor und ein paar kurze Rufe. Dann rammte ich mir den Schädel - an einer harten Wurzel, überschlug mich und dachte, daß ich mir wohl das Genick gebrochen hätte, eine so scharfe Schmerzwelle glitt durch meinen Nacken. Ich rappelte mich wieder hoch, sah mich um und hörte auch schon Ambers und seine Detektive die Zufahrt heruntergeprescht kommen. Ich humpelte zur Hecke, konnte nichts sehen, hörte aber den Motor des Buick aufheulen und zerrte wütend die Zweige auseinander.
Vom Kennzeichen konnte ich gerade noch die letzte Ziffer erkennen: eine Vier. Dann bog der Wagen mit kreischenden Profilen um die Ecke. Für einen Augenblick setzte mein Herz aus, denn das letzte, was ich sah, war Sue Barringtons blonder Haarschopf im Auto, eingekeilt zwischen den Revolvermännern.
***
Wer sich in New York mit irgendeinem Mitglied der Stadtpolizei über irgend etwas Dienstliches unterhalten will, wählt am besten CA nal 6-2000 und läßt sich verbinden. Wer es brandeilig hat, sollte die andere Nummer wählen, die legendäre Nummer, die den Titel für New Yorks Polizisten-Zeitschrift gab, die Nummer auf der täglich ungezählte Tausende anrufen:
Spring 7-3100.
Am Samstag, dem 25. September, mittags um ein Uhr neunzehn, drehte ich im Schulbüro mit fliegenden Fingern die Wählscheibe: S — P 7-3-1-0-0. Wer diese Nummer wählt, ist in Sekunden mit dem Hirn der größten lokalen Polizeieinheit dieser Erde verbunden. 1235 mit Sprechfunk ausgerüstete Fahrzeuge aller Typen und Klassen können gleichzeitig erreicht werden, dazu zwölf moderne Flußkreuzer und fünf Hubschrauber. Ich war noch atemlos vom Spurt zum Büro, als sich die Funkleitstelle der Stadtpolizei meldete.
»Jerry Cotton, FBI«, stieß ich schnell hervor, fügte meine Dienstnummer hinzu und fuhr fort: »Kidnapping am Hunter College! Entführt wurde die etwa achtzehnjährige Sue Barrington, blond und blaue Augen, Größe etwa einsfünfundsechzig, Gewicht etwa sechzig Kilo, bekleidet mit hellem, geblümten Sommerkleid. Die Täter benutzten einen Buick Le Sabre, Baujahr 1962, blau mit weiß abgesetztem Dach, die letzte Ziffer des Kennzeichens ist eine Vier.«
Der Beamte, der meinen Anruf entgegennahm, schrieb die Meldung auf ein Formular mit der Farbe der höchsten Dringlichkeitsstufe. Er rollte das Formular ein, schob es in die Hülse und diese in die Rohrpost. Die Rolle klatschte in den Auffangkorb beim Einsatzleiter der Stadtpolizei. Um ein Uhr dreiundzwanzig flammte in der Funkleitstelle die große rote Lampe auf. Zehn Sekunden später war jeder Sprechfunkverkehr unterbrochen. Ein Uhr vierundzwanzig ertönte die Stimme des Einsatzleiters:
»An alle! An alle! Kidnapping in Uptown Manhattan West!«
Aber zu der Zeit hatte ich schon meine Verbindung mit dem Chef des FBI-Distrikts Groß-New York. Mr. High war zu Hause gewesen, und ich sprach mit ihm über seine private Rufnummer.
»Veranlassen Sie alles, was Sie für nötig halten, Jerry«, sagte er in seiner ruhigen, entschiedenen Art. »Ich verständige Washington und das Hauptquartier der New York State Police. Wir bauen Straßensperren im Umkreis von etwa fünfzig Meilen. Brauchen Sie Verstärkung?«
»Ein paar Kollegen wären nützlich, Chef.«
»Ich schicke Ihnen zunächst zehn Mann in fünf Wagen. Wenn Sie mehr brauchen, melden Sie sich.«
»Danke. Die Überwachungsabteilung soll sich um Bill Mockton kümmern. Es ist nur ein Verdacht, Chef, reine Vermutung, aber —«
»In einem Fall von Entführung gehen wir der kleinsten Spur nach, Jerry, das wissen Sie doch. Ich bin in dreißig Minuten im Büro. Wollen Sie Fernsehen und Radio einsetzen?«
»Das weiß ich noch nicht, Chef.«
»Ich werde die Presseabteilung anweisen, unverzüglich Kontakt mit allen Radio- und Fernsehstationen aufzunehmen und
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