045 - Das Kind des mordenden Götzen
und sich jetzt beklemmend auf die Atemwege legten. Morgan registrierte, daß der Dampf nach Schwefel und Ammoniak roch. Ein scheußlicher Geruch, dieser blau leuchtenden Hölle würdig.
Von der geheimen Tür weg führten in den Fels gehauene Stufen hinunter zu den Kratern. Die Männer stiegen hinab. Sie hatten die fünfte Stufe noch nicht erreicht, als sich die Felswand hinter ihnen wieder schloß. In das Knirschen des Steins mischte sich wieder dieses Gelächter. Immer noch war niemand zu sehen.
Das teuflische Gelächter brach sich wie in den Hallen eines Doms. Nur langsam verebbte es.
Und dann sahen die Männer auch die Gestalten, die sich dunkel aus Felsnischen in das blaue Licht wagten und keulenähnliche Gegenstände in den Händen wogen. Die Gestalten vermehrten sich rapide.
Patrick Morgan steppte zurück zur Felswand, aus der sie gekommen waren. Er tastete nach einem Vorsprung, doch seine Finger trafen auf keinen nennenswerten Widerstand. Auf dieser Seite war der Fels fugenlos glatt.
Die Gestalten schlichen wie aus einem Alptraum entsprungen die flachen Stufen hoch. Ihre Augäpfel blitzten weiß und unheildrohend. Sie schwangen die Keulen über ihren Köpfen.
Patrick Morgan überschlug ihre Zahl. Sie hatten es mit mindestens fünfzehn bis zwanzig Gegnern zu tun. Ein paar von ihnen erkannte er wieder. Es waren Indios, die noch am Abend vorher in der Bodega gesessen und dort friedlich ihren Pulque getrunken hatten. Doch jetzt waren sie reißende Bestien, denen die Mordlust aus den verzerrten Gesichtern leuchtete. Ohne daß er es wollte, wich Morgan zurück. Er war von ihrem Anblick, von den stierenden Gesichtern, den weißen Augen halb hypnotisiert.
Da fiel die Hand Barry Queens’ krachend auf seine Schulter. »Jungchen!« sagte der Ire. »Nicht schlafen. Die Brüder wollen uns ans Leder.«
Der Alkohol, den er in seine Blutumlaufbahn gebracht hatte, ließ ihn die Lage nüchterner sehen. »Deinen Revolver!« schrie er. Queens war mit Morgan auf die letzte Stufe zurückgewichen und tastete nach dem Hosenbund des Freundes.
Doch der Schlag auf seine Schulter hatte Morgan in die Wirklichkeit zurückgebracht. Noch bevor Queens seine Waffe erreichen konnte, hatte er selbst sie aus dem Gürtel gezogen. Der Sicherungsflügel schnappte herum.
Doch noch zauderte Patrick Morgan. Die Gesichter, die ihn anstarrten, waren ihm bekannt. Indios, die in ihrer Verblendung auch vor einem Mord nicht zurückschreckten. Wild schwangen sie ihre Keulen. Morgan konnte sich Gefühle nicht mehr leisten. Die Situation verlangte eine Entscheidung.
Die mordlüsternen Indios waren noch fünf Meter unter ihm.
Morgan brachte die Mündung des Revolvers in die Zielrichtung.
Da verschwammen die Konturen der hochrückenden Indios für einen kurzen Augenblick. Er fühlte weiche Hände an den seinen.
Unsichtbare Hände.
Diese Hände entwanden ihm den Revolver. Patrick Morgan war viel zu überrascht, um sich gegen diesen Angriff des Unsichtbaren zur Wehr zu setzen. Es wäre auch zu spät gewesen.
Seine Waffe polterte die Stufen hinab, hinein in das Menschenknäuel, das unaufhaltsam vorwärts stürmte. Irgendein Indio in der zweiten oder dritten Reihe fing sie auf und richtete die Mündung gegen ihn.
Dann waren die Indianer heran.
Patrick Morgan sah noch die Keule auf ihn zu schwingen, bevor sie an seinem Schädel explodierte.
Barry Queens hielt sich nur unwesentlich länger. Auch ihn traf ein mörderischer Schlag, der ihn ins Land der Träume schickte, über den wie leblos daliegenden Freund fiel er die Stufen hinab.
Irgendwo erklang wieder dieses schauerliche Gelächter.
***
Griseldo Mannares war schnell auf das Haus des Alkalden zugegangen. Die Tür des Hauses vom Bürgermeister war verschlossen. Pierro Madrigas bewohnte eine armselige Hütte, die sich nur durch die Größe von den anderen unterschied. Mannares kannte Madrigas von früher her. Sie hatten zusammen dieselbe Sonntagsschule besucht. In Quaxteol, der nächstgrößeren Stadt, über das gemeinsame Lesen- und Schreibenlernen hinaus war eine Art Freundschaft entstanden, die die Jahre überdauert hatte.
Pierro Madrigas hatte sein Glück gemacht, indem er eine Tochter eines Bauern geheiratet hatte, der bei der mexikanischen Landreform besser weggekommen war. So hatte es ihn nach Viricota verschlagen. Wegen seiner Bildung hatte er hier Karriere gemacht. Jetzt war er der vielgeachtete Alcalde Madrigas.
Der Alcalde von Viricota war Indio.
Ein reinrassiger Indio. Ein
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