045 - Das Kind des mordenden Götzen
direkter Nachfahre der Mixteken, die das Hochland zwischen dem Reich der Azteken im Norden und dem der Mayas auf der Halbinsel Yukatan bevölkert hatten und dem Norden tributpflichtig waren. Die Mixteken hatten auch die Kultur der beherrschenden Azteken angenommen. Den Mixteken der Vergangenheit waren Menschenopfer zu Ehren Xandros zur Selbstverständlichkeit geworden.
Vor dem Eingang zum Haus Madrigas’ dehnte sich ein Vordach aus Stroh. Mannares trat darunter und pochte gegen die Tür.
Innen wurde vorsichtig der Riegel zurückgeschoben.
»Wer ist da?« fragte eine Mädchenstimme zaghaft.
Griseldo Mannares sagte seinen Namen. Er sagte ihn sanft, denn er hatte die Stimme erkannt. Sie gehörte Xeniaxa, der Zweitältesten Tochter des Alcalden.
Xeniaxa öffnete und errötete beim Anblick des nächtlichen Gastes. Mannares strich ihr plump zärtlich über das Haar, aber das Mädchen genoß diese Geste der Freundlichkeit. Griseldo Mannares war ein Mann, um den ihre Freundinnen sie beneiden würden. Und Mannares war ledig. Xeniaxa wußte, daß der Händler schon früher mit ihrem Vater über eine eventuelle Heirat gesprochen hatte. Xeniaxa hatte nicht das geringste dagegen.
Sie führte den großen Mann in einen Raum, der nur von einer Öllampe erhellt war. über dem Docht ringelte sich träge der Rauch. Pierro Madrigas zog an einer tönernen Pfeife, deren Rauch sich mit dem Qualm der Lampe vereinigte und kringelnd gegen die schwarze Decke zog.
Er nahm die Pfeife aus dem Mund, als Mannares eintrat, und wies mit einer Handbewegung auf die gestickte Decke, auf der auch er schon saß, doch die einem weiteren Mann noch Platz bieten konnte.
Mannares setzte sich und hatte Schwierigkeiten, seine Beine im Schneidersitz zu verstauen. Irgendwie schaffte er es doch.
Der Alkalde reichte ihm seine Pfeife.
»Komme in Ruhe«, sagte er in seinem indianischen Dialekt.
»Ich ehre dich«, antwortete Griseldo Mannares, wie es die Pflicht war.
Er paffte ein paar Züge. Zum Inhalieren war der Tabak nicht geeignet. Dann gab er die Pfeife zurück.
»Wir sind Brüder«, begann Mannares umständlich. »Wir haben zusammen die Schulen der Weißen besucht.«
Madrigas schwieg.
»Wir sind gute Brüder«, begann Mannares nochmals. »Wir sind uns verbunden. Wir haben keine Geheimnisse untereinander. Unsere Seelen klingen gleich.«
»Was willst du mir verkaufen, Bruder?« sagte Pierro Madrigas und rückte unmerklich ab.
»Du mißverstehst mich, Pierro«, beruhigte Mannares und legte seine Pranken um die schmächtigen Schultern des Alkalden. »Ich komme als Mensch. Als dein Bruder, der ich immer war.«
»Du begehrst meine Tochter Xeniaxa zur Frau«, sagte der Alkalde. »Ist es deshalb, weshalb du kommst? Ich habe deinen Besuch erwartet. Xeniaxa ist eine Frau geworden. Du kannst sie haben.«
»Ich danke dir für dein Vertrauen und für deine Güte«, fuhr Mannares in der blumigen Sprache der Indios fort. »Ich werde mich glücklich schätzen, deine Tochter in mein Haus heimzuführen. Sie wird mich immer an dich erinnern. Xeniaxa wird das Band sein, das uns für immer verbindet.«
Der Alkalde sog an der Pfeife und schaute gewichtig dabei.
»Xeniaxa ist eine gute Frau für dich.
Behandle sie gut. — Nimmst du sie heute schon mit?«
Mannares war auf diese Frage nicht gefaßt gewesen. Eigentlich hatte er ganz andere Fragen auf den Lippen gehabt, als er auf das Haus des Alkalden zugesteuert war. Fragen, die Felisa Fuengeres betrafen.
Doch Griseldo Mannares beherrschte das Spiel perfekt. Er wußte, wie er mit Indios umzugehen hatte. Zumindest glaubte er, die Spielregeln zu kennen.
»Ich bin deswegen in dein Haus gekommen«, sagte Mannares berechnend und mit einem lauernden Unterton in der Stimme. »Ich will Xeniaxa mit in mein Haus nehmen. Wir sind Brüder.«
»Wir sind Brüder«, nickte der Alkalde.
»Aber ich hätte noch eine Frage«, meinte Mannares beinahe uninteressiert. »Du kennst doch Felisa Fuengeres, die Lehrerin. Sie ist meine Nichte. Sie ist verschwunden. Das gefällt mir nicht.«
Madrigas ließ die Pfeife sinken. Eine weitere Reaktion war ihm nicht anzumerken.
»Felisa?« fragte er, um Zeit zu gewinnen. »Ich kenne sie. Es stimmt. Sie ist verschwunden. Sie wird zu Verwandten gereist sein.«
Er hob die Pfeife wieder an die Lippen.
»Meinst du das wirklich, Bruder?«
Pierro Madrigas drückte mit seinem bloßen Daumen die Glut in der Pfeife zurück, um ihr zu einem besseren Zug zu verhelfen. »Es gibt keinen Anlaß, etwas
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