045 - Die Blut GmbH
Augenblick für sie tun konnte.
Nur eine weitere Tür trennte mich noch von jener, aus der die Geräusche und Stimmen kamen. Ich war auf ein weiteres Krankenzimmer gefaßt. Statt dessen stand ich in einem kleinen Büro und versuchte meine Begeisterung im Zaum zu halten: Auf dem Schreibtischstand ein Telefon!
Die Tür ließ sich leider nicht absperren. Ich mußte schon das Risiko eingehen, daß mich jemand dabei überraschte. Ich konnte nur hoffen, daß die Verbindung gut war und Erik seinen hellhörigen Tag hatte, denn herum brüllen konnte ich hier nicht.
Das Telefon ließ sich weit genug vom Tisch ziehen, daß ich dahinter in Deckung gehen konnte. Dennoch war ich sehr nervös während ich wählte.
Als sich Erik meldete, sagte ich erleichtert und hastig: „Halt dich fest, mein Junge, es gibt Neuigkeiten.“
„Harry? Bist du es? Kannst du nicht lauter reden?“
„Kann ich nicht, sonst täte ich’s. Die Zeit ist knapp. Hör zu.“ Ich berichtete ihm schlagwortartig, was ich gefunden hatte und wo sich das Haus befand. Er schien auch alles verstanden zu haben.
„Es reicht nicht aus, um offiziell etwas zu unternehmen“, sagte er. „Aber wir können der Sache nachgehen.“
„Und der Patient aus Varchdorf“, sagte ich drängend, „ist der nicht Anlaß genug? Wahrscheinlich ist es bei allen anderen ähnlich. Die Patienten verschwinden also nicht nur aus der Stadt, sondern auch aus den umliegenden Orten. An die vierzig sind hier …!“
„Ich werde sofort Hartwig unterrichten. Ich nehme an, er wird die Klinik bewachen. Aber ob es viel nützen wird, ist fraglich. Die Patienten werden wahrscheinlich wieder hypnotisch präpariert. Vielleicht ist wirklich alles harmlos. Wir haben ja auch keine Anzeige von den Betroffenen selbst. Es kann alles mit ihrem Einverständnis geschehen …“
„Mit ihrem Einverständnis? Aber das ist absurd!“ entfuhr es mir. „Dieser Dr. Altmann machte nicht den Eindruck …“
„Jedenfalls …“ unterbrach er mich.
Ich ließ ihn nicht ausreden. „Jedenfalls ist hier etwas ober faul. Du solltest diese Schwestern sehen. Sie starren einen an, als ob sie einen anknabbern wollten. Und diese verkehrten Kreuze! Ich weiß nicht, was sie mit dem Blut machen, das sie den Leuten abzapfen, aber …“
Er lachte. „Diese Vampirgeschichte scheint dir unter die Haut gegangen zu sein.“
„Schon möglich, aber nicht ohne Grund“, erklärte ich verärgert. „Diese Leute sind kalt wie Fische, und wenn sie dich anfassen, dann hast du das Gefühl, daß sie hungrig sind. Und noch etwas ist mir aufgefallen. Das ganze Gebäude stinkt nach Desinfektionsmitteln. Aber trotzdem überdeckt es den eigentlichen Geruch nicht ganz – den Fäulnisgeruch nämlich!“
„Was willst du damit sagen?“
„Vampire sind Tote, nicht wahr?“ sagte ich.
„Nun halt aber die Luft an“, erwiderte er.
„Heute ist Vollmond“, fuhr ich unbeirrt fort. „Ich wollte, ich wäre hier raus.“
„Reiß dich zusammen. Harry!“ rief er besorgt.
„Ja“, sagte ich tonlos, überwältigt von meinen eigenen Worten und ihren Konsequenzen. Ich fühlte mich ein wenig benommen, und meine Wunde schmerzte. Heute war die Nacht der Nächte, hämmerten meine Gedanken. Der Schein des vollen Mondes drang durch das Fenster in meine Augen und beflügelte meine Phantasie. Noch nie hatte ich diese Kraft des Gestirns so deutlich gespürt. So auffordernd. Den Irrsinn so rationalisierend. Die Vorstellung der Existenz von Vampiren war auf einmal nicht mehr so absurd. Es war fast, und ein Grauen schüttelte mich weit im Hintergrund meines Empfindens, als wäre ich einer von ihnen, mit ihnen von einer phantastischen Flut alter Legenden aus den Gräbern gespült.
„Bist du noch da? Harry?“
„Ja. Ja.“
„Ich werde sofort den Inspektor mobilisieren. Sie haben alle Spuren verloren. Fünf der Opfer machten sich zur selben Zeit wie Alby auf den Weg. Sicher sind sie bei dir in der Klinik. Du hast gute Arbeit geleistet. Da wir jetzt das Nest haben, wird alles andere nicht mehr so schwierig. Aber du mußt einen klaren Kopf behalten … Hörst du mich?“
„Ja“, erklärte ich und fand langsam wieder zurück zur Realität. Da war etwas, das mich ernüchterte. „Was ist mit Barbara?“
„Sie ist wohlauf. Sie hatten sie gut verschnürt, auch die Haushälterin. Nur Sonja haben sie mitgenommen.“
„Schon eine Spur?“
„Eine kurze. Morton sah, wie sie mit ihr zu Alby wollten, wahrscheinlich, um sie ihm gegenüberzustellen und
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