045 - Schizophrenia - Nächte des Wahnsinns
Nicht entdeckt haben wir den Kopf und die
Leiche, die logischerweise dazu gehören muß. Es gibt allerdings Blutspuren auf
der Windschutzscheibe. Woher sie stammen, und ob es sich tatsächlich um
menschliches Blut handelt, das wird zur Zeit überprüft. Das mit dem grünen
Ford, den angeblich ein Spanier gefahren haben soll, scheint auch zu stimmen.
Wir haben das Auto direkt neben dem Fiat gefunden. Vom Fahrer aber gibt es bis
jetzt keine Spur... Wegen all dieser Ungereimtheiten, Doktor, hätte ich mich
natürlich gern noch mal persönlich mit dem Mädchen unterhalten.«
»Aber
selbstverständlich, Kommissar. Wenn es ihr Zustand zuläßt, steht dem nichts
mehr im Weg. Merkwürdige Geschichte«, murmelte Falco nachdenklich. »Sie wirft
offensichtlich Schein und Wirklichkeit durcheinander.«
»So
sieht es aus. Was mich irritiert, ist die Tatsache, daß der Spanier, nachdem er
Gina Muddi zu Hause abgesetzt hatte, offenbar noch mal in den Wald
zurückfuhr... Aber das ist mein Problem, Doktor, und nicht das Ihre. Sie
wollten, wie Sie gerade sagten, die Polizei anrufen. Gibt es dazu einen
besonderen Grund?«
»Ja.
Ich habe einen Fehler begangen, Sie nicht sofort zu informieren«, faßte
Giuseppe Falco seinen ganzen Mut zusammen und nannte auch den Grund seiner
Angst. Er wollte einen Skandal und die eventuelle Schließung der
Nervenheilanstalt vermeiden, über die es viele kritische Stimmen überall im
Lande gab. »Vielleicht ist doch noch ein Punkt mehr an Gina Muddis Erzählung
dran. Vielleicht aber hat sie auch nur aufgrund eines Vorfalls ein Bild oder
eine Stimmung empfangen, die sie stark getroffen und für die sie keine logische
Erklärung hat. Es gibt solche sensiblen Menschen, Kommissar. Letzte Nacht holte
mich ein Pfleger aus dem Bett. Er hatte eine furchtbare Entdeckung gemacht.
Paolo Rasolinis Zustand ist uns hier entglitten, eine andere Erklärung habe ich
nicht dafür. Letzte Nacht kam es zu einem tragischen Vorfall in der Anstalt, Kommissar.
Ich möchte jetzt davon Meldung machen. Eine Angehörige des Pflegepersonals
wurde auf rätselhafte Weise ermordet: Man hat sie geköpft! Kopf und Leiche der
Schwester Marina Ordelli sind verschwunden. Als wahrscheinlicher Täter kommt
nur Paolo Rasolini in Frage. Vorschriftsmäßig erhielt er seine Psychopharmaka.
Was selten vorkommt, muß bei ihm jedoch eingetreten sein, ohne daß wir es
rechtzeitig bemerkten: er war mit der Zeit resistent geworden. Sein Organismus
sprach auf die Dosis nicht mehr an. Dabei erhielt er schon eine starke Dosis.
Ich habe sie in der letzten Nacht und heute morgen erhöht. Paolo Rasolini wurde
isoliert und ist völlig träge und abwesend.«
Tandelli
ließ den Nervenarzt wissen, daß er so schnell wie möglich vorbeikommen werde.
Giuseppe Falco legte auf, als der Krankenwagen vor das alte Gebäude rollte.
Hinter den Fenstervorhängen beobachtete er, wie zwei Sanitäter ein Mädchen in
Zwangsjacke aus dem Fahrzeug bugsierten.
Gina
Muddi konnte kaum auf den Beinen stehen und torkelte wie eine Betrunkene.
Willenlos ließ sie alles mit sich geschehen. Gina Muddi war da. Er konnte es
kaum erwarten, sie und ihren Fall kennenzulernen. Instinktiv fühlte er, daß er
an einem Scheideweg seines Lebens angekommen war. Aber er konnte sich dieses
Gefühl nicht näher erklären...
●
»Franca!« brüllte Signora Rossi und sprang wie von einer
Tarantel gestochen auf. Larry starrte das Mädchen an. Es zuckte plötzlich
zusammen. »Was ist, Mama?« fragte Franca erschrocken und blickte sich um.
»Fängt es schon wieder an?«
»Die
Stimme, die eben aus Ihnen gesprochen hat, Franca«, ergriff X-RAY-3 die
Initiative. »Wer ist das?«
»Welche
Stimme?« Sie hatte sie nicht vernommen und wußte auch nicht, was gesprochen
worden war.
Die
Worte waren eine Botschaft aus dem Geisterreich! Etwas Fremdes wurde durch
Franca aktiv. In ihr hatte sich jene unheilvolle Kraft am besten entfaltet. Die
Ursache konnte ganz woanders stecken. Vielleicht wußte Giuseppe Falco mehr
darüber als diejenigen ahnten, die direkt damit konfrontiert wurden.
Larry
verließ das Haus. Iwan Kunaritschew blieb bei den Rossis. Unten auf der Straße
herrschte noch immer helle Aufregung. Die Polizei versuchte herauszufinden,
woher die Steine gekommen waren. Sie waren einfach vom Himmel gefallen... Die
Betroffenen versuchten eine plausible Erklärung zu finden. Aber die gab es
nicht. Das Ereignis lag ganz allein in der Person und persönlichen Veranlagung
der jungen Franca Rossi.
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