0451 - Schwarze Träume
Seltsam, unlogisch, wandelbar.
Hinter Julian stand eine völlig andere Welt. Er hatte sie mitgebracht, und sie vermischte sich mit diesem Zimmer. Die Wände schienen nicht mehr stabil zu sein, und dahinter befand sich etwas, das Angelique nicht begriff, das sie lieber auch nicht begreifen wollte.
Es war… magisch.
Aber von all diesem Spuk hatte sie noch nie viel gehalten. Sie kannte zwar eine ganze Menge okkulter Hausmittel, um böse Geister zu vertreiben und ähnliche Dinge zu bewirken, aber daran geglaubt hatte sie nie.
Und auch dieses Amulett, das Yves besaß, und von dem sie nicht einmal wußte, wie ihr Bruder in seinen Besitz gekommen war, war eine verflixt seltsame Sache…
Wie eine Schlafwandlerin redete Angelique mit diesem Julian. Er faszinierte sie, und es gefiel ihr gar nicht so recht, daß Yves nichts mit ihm zu tun haben wollte. Denn das bedeutete in letzter Konsequenz, daß sie diesen großen Jungen mit der eher zierlichen Gestalt und dem halblangen, mittelblonden Haar nicht wiedersehen sollte. Und seine Augen… Nie zuvor hatte Angelique Augen gesehen, die sie so faszinierten. Es waren die Augen eines Träumers, der die Welt entdecken und erobern wollte.
Aber wenn Yves nichts mit ihm zu tun haben wollte, mußte Angelique versuchen, ihn loszuwerden und zu vertreiben. Sie fühlte sich zwischen zwei Welten hin- und hergerissen. Die Loyalität zu ihrem Bruder und die Hingezogenheit zu Julian, dem Fürsten. Von welcher Art auch immer sein Fürstentum beschaffen sein mochte…
Das alles verstärkte noch das Unwirkliche, das Traumhafte.
Und dann - war er plötzlich fort!
Es traf sie wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel, als er vor ihren Augen verschwand, als habe jemand das Licht ausgeknipst.
Sie sprang vorwärts. Ihre Hände griffen ins Leere.
»Julian…?«
Es kam keine Antwort mehr, und sie wußte, daß er fort war.
Wohin war er gegangen? Und wie hatte er das angestellt? Hatte sie vielleicht doch nur geträumt? Aber Yves war doch seinetwegen nach draußen ausgewichen, weil er Julians Anwesenheit gespürt hatte und nicht mit ihm zusammentreffen wollte!
»Julian!« rief sie noch einmal, aber auch jetzt bekam sie keine Antwort.
Dafür kam von draußen Kampflärm.
Schreie. Berstendes Metall.
Durch die offene Wohnungstür stürmte Angelique zur Treppe, ohne daran zu denken, daß sie sich damit vielleicht in Gefahr brachte. Sie stürmte die Treppe hinauf, und dann sah sie von der Haustür aus das Unglaubliche…
***
Der Fürst der Finsternis hatte sich wieder zurückgezogen.
Fast zu spät hatte Julian die Annäherung jener Menschen registriert, denen er sich eigentlich entziehen wollte. Sie hatten ihn ständig bevormundet, seit er sich bei ihnen aufhielt. Zamorra, seine Gefährtin… und da war auch dieser Druide.
Eigentlich hatte er persönlich überhaupt nichts gegen sie. Aber er wollte sich von ihnen einfach nicht länger vorschreiben lassen, was er zu tun und zu lassen hatte, und er wollte sich auch nicht in eine Art goldenen Käfig sperren lassen. Er hatte bewiesen, daß er sich selbst durchsetzen konnte, daß er auch den Dämonen widerstehen konnte. Immerhin hatte er sich sogar auf deren Fürstenthron setzen können! Aber sie würden ihm nicht glauben wollen, daß er sich längst selbst schützen konnte. Sie wollten ihn nach wie vor bevormunden.
Er hatte verhindern wollen, daß sie hierher kamen. Er hatte sie am Château Montagne gestoppt, und dann hatte er sich in die Schwefelklüfte begeben. Die Zwischenzeit hatten sie genutzt. An den Druiden und seine Fähigkeiten des zeitlosen Sprungs hatte Julian nicht gedacht. Jetzt waren sie hier, und er hatte es nicht verhindern können.
Aber er, der doch längst erwachsen war, fühlte sich gestört.
Er verpaßte ihnen einen weiteren Denkzettel.
Noch während er sich selbst zurückzog, hetzte er ihnen den Schwarzen auf den Hals. Er hätte sie töten können, und fast wäre es im Eifer des Gefechtes sogar dazu gekommen, denn er ließ sich von der action mitreißen und hatte Mühe, sich zu bezähmen. Er wollte ihnen doch nichts Böses! Er wollte sie nur noch einmal warnen! Sie sollten ihn in Ruhe lassen, ein für alle Mal!
Wann würden sie endlich begreifen, daß er keinen Vormund mehr brauchte?
Beim Wächter der Schicksalswaage! Bis hierher waren sie ihm gefolgt! Dabei hatten sie nicht einmal wissen können, daß er in diesem Augenblick hier war. Sie hatten wohl von hier aus seine Spur aufnehmen wollen.
Wenn er sie nicht rechtzeitig
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