0453 - Heißer Draht zu Killer-Jo
Tag.«
Ich bedrängte sie nicht weiter und ließ mir das Publikum schildern, das sich der Hausherr eingeladen hatte. Es waren Stars in Ausbildung, teils auch in Einbildung, ein paar Schauspieler von Broadway-Theatern, Journalisten, Mannequins und einige Sportler, alles in allem gut zwei Dutzend Gäste. Mir fiel daran auf, daß wirkliche Prominenz, vor allem vom Fernsehen und Funk, völlig fehlte. Abgesehen von Reyss.
Ich wurde langsam neugierig, was sich mir da heute nacht bieten mochte.
***
Etwa um dieselbe Zeit fuhr Joshua wieder in die Berge. Das rote Kabriolett stand noch unverändert neben dem Blockhaus. An einem kleinen Zweig, den er vor das rechte Vorderrad gelegt hatte, sah Joshua, daß der Wagen inzwischen nicht benutzt worden war.
Entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten hatte Joshua heute ein Gewehr mit Zielfernrohr mitgebracht. Sollte Harry Reyss in der Jagdhütte stecken, würde das Gewehr hinter einem Baum stehen bleiben, und Joshua würde mit einem Brief in der Hand an die Tür klopfen.
»Einen Gruß von Mr. Larosse. Ich soll auf Antwort warten.«
Das wäre dann eine unverfängliche Einführung. Während Reyss sich mit dem Brief beschäftigen würde, hätte Joshua Zeit, seine 38er zu ziehen.
Aber es blieb bei der Planung.
Harry Reyss war nicht in seinem Blockhaus, wie Joshua nach zweimaligem Klopfen feststellte. Die Tür war nicht abgeschlossen, und der einzige große Raum war leer. Auf dem klobigen Tisch in der Mitte standen einige Bierdosen, ein Glas, daneben lagen Butter, Brot und Aufschnitt.
Joshua hatte vorsichtshalber den Brief in der Hand behalten, falls Reyss unverhofft auftauchen sollte. Er drückte die Tür zu, holte das Gewehr und suchte sich einen anderen Beobachtungsplatz.
Joshua fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Er war in Manhattan zu Hause, in den Betonwüsten, nicht hier in dem unheimlichen Dickicht. Er hörte überall Tritte; brechende Äste und mal näher und ferner die undefinierbarsten Geräusche. Wenn Reyss wieder in der gleichen Richtung unterwegs war wie am gestrigen Tag, dann mußte er da vorn zwischen den mächtigen Stämmen auftauchen. Einmal mußte er zurückkommen.
Der Eingang zum Blockhaus lag fünfzig Yard vor Joshua und bot ein ideales Ziel.
Nach einer Stunde wurde Joshua allmählich kribbelig. Er wechselte ständig das Standbein, fuhr sich mit den Fingern in die Ohren, die vom angestrengten Lauschen fast weh zu tun schienen und sehnte sich nach einer Zigarette.
Er überlegte eben, ob es nicht einfacher wäre, sich mit dem Brief in der Hand, der übrigens nur ein leeres Blatt enthielt, auf die hölzernen Eingangstufen zu setzen. Dort konnte er dann rauchen soviel er wollte.
Aber in der nächsten Sekunde erlebte er eine unangenehme Überraschung.
***
Gegen Mitternacht fuhr ich mit dem Bus zu Myrna, und um halb eins rollten wir durch die Bowery zur Brooklyn Bridge, fädelten uns in den Expressway nach Süden ein, den wir am Bay Ridge Parkway verließen. Wenig später hatten wir die Colonial Street erreicht. Wir waren jetzt in der südwestlichen Ecke von Brooklyn. Auf der anderen Seite der New Yorker Hafeneinfahrt lag Staten Island.
Myrna war schweigsam und nervös.
Zehn Minuten vor eins erreichten wir das Haus von Larosse. Wir mußten noch ein Stück vorziehen, denn die Fahrzeuge parkten dort halb auf dem Gehweg wie die Hühner auf der Stange.
Der flache Bau war hell erleuchtet. Es war ein großes Einfamilienhaus im Bungalow-Stil, das hinter einem breiten Rasen lag, dessen Grün unter dem herausflutenden Licht wie Samt schimmerte.
Wir waren die letzten Gäste. Der Hausherr empfing uns an der Tür, war die Liebenswürdigkeit in Person. Es machte durchaus nichts, daß das Mädchen mich mitgebracht hatte, weil sie nicht allein fahren wollte, versicherte er mir.
»Mr. Reyss muß ich verfehlt haben, er antwortete nicht auf meinen Anruf. Ist er schon da?« fragte Myrna.
»Nein.« Larosse schien vollkommen überrascht. »Ich dachte, er würde mit Ihnen kommen. Na, vielleicht kommt er noch.«
Larosse sah gut aus, schien sich auch etwas darauf einzubilden, aber er kam mir etwas weich vor. Hinter seinem prüfenden Blick schien nicht viel Menschenkenntnis zu stecken.
»Miller«, stellte ich mich vor. »Ich schreibe Kritiken und Berichte für die Provinzpresse.«
Sein wohlwollendes Lächeln rangierte mich gleich unter die kleinen Fische ein.
Wir wurden in einen großen Raum geführt, in dem schon mehr als zwei Dutzend Personen herumstanden oder saßen.
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