0454 - Der blutrote Zauberteppich
König brauchte seinen Platz.
Zuerst erschienen die Herolde. Ihnen folgte der berittene Troß aus Leibwächtern. Der König selbst saß in einer Sänfte, die von starken Männern getragen wurde.
Er hatte die Fenster nicht verhängt, so konnte er hinausschauen und ließ anhalten, als er die beiden Gefangenen erreicht hatte. Philipp der Schöne beugte sich nach rechts.
Er trug ein prächtiges Gewand mit edlen Goldstickereien. Sogar die Krone hatte er aufgesetzt. Unter diesem Gewicht schien sein blasses Jünglingsgesicht eingedrückt zu werden.
Auch noch die kostbare und prächtige Kleidung kann einen innerlich faulen Menschen nicht zu einem Herrn machen. Haß gegen die Templer strahlte in den Augen. Die dünnen Lippen des Königs bewegten sich, er sagte Worte, die keiner verstand, aber Jacques de Molay besaß noch die innerliche Größe, dem Blick des Königs standzuhalten.
Der König hob den Arm. Seine Hand erschien. Sie war ringbeschmückt, und es sah so aus, als wollte er de Molay ins Gesicht schlagen.
Der Templer aber sprach. »Ich weiß, was hinter Eurer Gesinnung steckt, Sire. Es geht Euch nicht um mich oder meine Freunde, nur um das Gold und die Schätze der Templer. Ihr habt Fehler gemacht. Ihr habt regiert und maßlos dabei gelebt. So etwas kann nicht gutgehen, und es wird auch nicht gutgehen. Ihr werdet, ebenso wie der Papst, an unserem Tod und an dem geraubten Gold keine Freude mehr haben. Auch Euer Schicksal ist bereits vorgezeichnet, Sire. Es wird nicht mehr so lange dauern, das kann ich Euch versprechen.«
Philipp der Schöne verzog sein Gesicht. Er sah aus, als hätte er Essig getrunken. Normal konnte er nicht antworten, deshalb schrie er de Molay an.
»Auf den Scheiterhaufen mit ihnen. Ich will sie lodern und brennen sehen. Ich will ihre Schreie hören…«
»Nein, Sire!« rief de Molay mit lauter Stimme dagegen an. »Ihr werdet uns nicht schreien hören. Kein Templer schreit!«
»Ich weiß es anders.«
»Wenn ein Templer geschrieen hat, war es der Judas, der uns auch verriet, Sire!«
Daß der König sich nicht mehr unterhalten wollte, hatten auch die Soldaten begriffen, deshalb drängten sie die beiden Gefangenen ab und bildeten mit ihren Körpern einen menschlichen Schutzwall.
Um den Scheiterhaufen zu erreichen, mußten sie vorgehen. Aber sie warteten so lange, bis die Sänfte des Königs an die Stelle getragen worden war, wo Philipp der Schöne nicht in den unmittelbaren Bereich der Flammen geriet, aber trotzdem mitbekommen konnte, wie seine verhaßten Feinde starben.
Hatten sich die Soldaten bisher noch zurückgehalten, so wollten sie vor den Augen des Königs glänzen. Durch harte Lanzenstöße trieben sie die beiden Verurteilten dem Scheiterhaufen entgegen, vor dem noch eine steinerne Plattform stand, zu der eine Treppe hochführte.
Ein Mann wartete dort.
Es war der Folterknecht. Obwohl er den Flammen so nahe stand, machte ihm die Hitze nichts aus.
Er wirkte wie ein glühender Mensch und schaute mit starren Augen und mit unbewegtem Gesicht den Ankömmlingen entgegen, um seine letzte Tat zu vollbringen. Er würde sie packen und in die Flammen schlendern.
Es war schwer für die beiden Verurteilten, die Stufen der Treppe hochzuschreiten. Ihre Köpfe bewegten sich dabei nickend, die Kraft hatte ihre Körper verlassen, und der Henker kam ihnen entgegen.
Er drehte seine Hände in ihre zerlumpte Kleidung und zog sie zu sich heran.
Die Soldaten hatten nichts mehr zu tun. Sie zogen sich wieder zurück. Auch der Henker zögerte.
Sein Blick glitt nach vorn. Er suchte den König, denn Philipp der Schöne sollte das Zeichen geben, wann die beiden Templer in die Flammen geschleudert wurden.
Er ließ sich noch Zeit.
Der Mob hinter ihm wollte die Menschen brennen sehen. Das Volk schrie, es war in den letzten Tagen aufgehetzt worden, hatte selbst getötet und Leichen verbrannt, aber dieses Schauspiel wollte sich niemand entgehen lassen.
Über die blassen Lippen des jungen Königs glitt ein kaltes Lächeln. Seine Augen funkelten. In den Pupillen tanzte der Widerschein des Feuers und hinterließ dort zahlreiche zuckende Punkte.
Philipp der Schöne stand dicht vor seinem größten Sieg, und er hob bereits seinen rechten Arm.
In diesem Augenblick erstarrten und verfinsterten sich seine Gesichtszüge, denn er und einige andere hatten etwas gesehen, das es eigentlich nicht geben durfte.
Es kam aus der Luft!
***
Und wieder glitt ich über das nächtliche Paris!
Diesmal jedoch um Hunderte von
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