0454 - Der blutrote Zauberteppich
Jahren versetzt und nicht allein, sondern in Begleitung eines Mannes, der noch voller Hoffnung steckte, ein Schicksal wenden zu können.
Es würde ihm nicht gelingen, das wußte ich. Die Geschichte schrieb andere Daten.
Aber konnte ich ihm das sagen? Sollte ich ihm jetzt schon die Hoffnung rauben?
Nein, es wäre falsch gewesen. Ich hatte es ihm angedeutet, er hatte mir nicht geglaubt und mußte seine eigene Erfahrung sammeln.
Wieder einmal war ich mit einem de Valois zusammen. Mittlerweile war ich zu der Überzeugung gekommen, daß mein Schicksal mit dem der de Valois eng verknüpft war. Unsere Wege würden sich bei Abenteuern in der Vergangenheit immer wieder kreuzen, und auch in meiner Zeit hatte es die de Valois' in den Vereinigten Staaten noch gegeben.
Eine zentrale Figur war natürlich Hector de Valois, aber dieser Mann, der auch mein Kreuz besessen hatte, lebte viel später und hatte die Templer geführt.
Meinen Augen bot sich in dieser Nacht ein völlig anderes Bild, als ich über der Stadt schwebte. Das war nicht das Paris der Gegenwart. Ein dunkles Häusermeer lag unter uns. Es gab keinen Eiffelturm, kein elektrisches Licht, weder Autos noch Flugzeuge. Dieses nächtliche Paris im Jahre 1314 war dunkel und auch drohend.
Die Antwort darauf, wie es mir gelingen sollte, wieder aus dieser Zeit zu verschwinden, hatte ich weit weggeschoben. Irgendwie würde sich schon eine Möglichkeit ergeben.
Ich mußte einfach zurück. Es ging nicht, daß ich in der Vergangenheit verschollen blieb.
London war meine Heimat. Dort lebten meine Freunde und auch ein Mann namens Suko, der durch den Tod seiner Partnerin ein schweres Schicksal erlitten hatte. Ihm mußte geholfen werden, auch wenn er unauffindbar war und den Fall allein lösen wollte.
Vor mir sah ich den knienden Bertrand de Valois und schaute auf dessen gebeugten Rücken. Der Templer hielt sich an einer Kante des Teppichs fest und starrte in die Tiefe, wo es in der ansonsten finsteren Stadt einen sehr hellen Fleck gab.
Er befand sich auf der Juden-Insel, denn dort loderte der gewaltige Scheiterhaufen.
Beide wollten wir hin, doch ich fragte mich, wie der Teppich zu steuern war.
Bertrand de Valois mußte sich mit dem gleichen Problem beschäftigt haben, denn er drehte sich um und sagte: »Ich weiß, John, wie man ihn lenken kann. Allein durch die Kraft meiner Gedanken schaffe ich es. Wirklich, es ist wunderbar.«
»Willst du landen?«
»Ja, vor dem Feuer. Wir werden sie auf den Teppich holen und mit ihnen davonschweben.«
»Das hoffe ich für dich!«
Bertrand de Valois ging auf meine Bemerkung nicht weiter ein. Für ihn war es wichtig, in die Tiefe zu schauen. In der Nacht hatte sich der Wind verstärkt. Er kam von allen Seiten und wehte deshalb nicht nur in unsere Gesichter.
Der Teppich sank tiefer.
Ich kam mir vor wie ein großer Vogel, der allmählich sein Ziel ansteuerte. Natürlich traute ich diesem Relikt aus dem Orient nicht. Ich hatte ihn morden sehen. Der Geist dieser verstorbenen drei Magier steckte in ihm, und ich war davon überzeugt, daß er auch mich umbringen würde, wenn er es für richtig hielt.
Noch reagierte er auf die Befehle des Bertrand de Valois. Vielleicht verspürte der Teppich auch so etwas wie Dankbarkeit seinem Befreier gegenüber und wollte alles in die Waagschale werfen, um ihm zu helfen.
In einem schrägen Winkel schwebten wir auf unser Ziel zu. Mittlerweile hatten wir schon einiges an Höhe verloren. Wir näherten uns dem Scheiterhaufen von der Rückseite her, konnten auch über ihn hinwegschauen und erkennen, daß sich auf dem Platz vor der Hinrichtungsstätte zahlreiche Menschen eingefunden hatten, die dem makabren Schauspiel unbedingt zusehen wollten.
Bei solchen spektakulären Anlässen wurde der Mob immer mobil gemacht. Das hatte es früher gegeben, das gab es auch noch heute, nur in einer etwas veränderten Form.
Bertrand lachte scharf. »Wir schaffen es, John. Ich spüre innerlich die Kraft, die mich wie Wasser durchfließt. Wir werden die Sieger sein, auch der König kann uns daran nicht hindern, obwohl er der Hinrichtung zuschaut.«
»Siehst du ihn denn?«
»Ja, schau über das Feuer hinweg. Da sind Soldaten, die seine Sänfte tragen und jetzt abstellen.«
Ich war von den zuckenden Flammen und deren unmittelbarer Umgebung so beeindruckt gewesen, daß ich auf andere Dinge nicht geachtet hatte, jetzt aber zugeben mußte, daß Bertrand de Valois sich nicht irrte.
Der König war tatsächlich gekommen.
Mein
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