0455 - Der Lord und die Geister-Lady
am Empfang enthielt sich eines Kommentars.
Es war auch besser so. Suko befand sich in einer Stimmung wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch…
***
Mary skelettierte!
Die Sonne brennt dir das Fleisch von den Knochen. So hatte sie gesprochen, und an diesen Satz erinnerte sich der Lord wieder. Er war zu einer schaurigen Tatsache geworden.
Danfords Gesicht sah im Schein des Feuers verzerrt aus. Er wußte nicht, was er machen sollte, seine Gedanken jagten sich, und jede Idee schien einen Schweißtropfen auf seine Stirn zu treiben.
Hatte Mary oder ihr Geist die rote Sonne gesehen? Wenn es der Geist gewesen war, weshalb skelettierte aber dann ihr Körper? Das war doch ein Widerspruch in sich, denn auf ihren Reisen waren Körper und Geist voneinander getrennt gewesen.
Einmal hatte der Körper im Sarg gelegen, zum anderen im Sessel gehockt. Nach normalen Maßstäben konnte er nicht skelettieren.
Aber was war hier schon normal?
Der Lord saß starr da, und trotzdem kam er sich vor wie auf heißen Kohlen hockend. Die Haut unter dem Kleid fiel nicht ab, sie war einfach nicht mehr da, als hätte sie sich aufgelöst.
Unfaßbar… Auch das Gesicht wurde nicht verschont.
Der Lord wollte es nicht zugeben, aber er mußte es einsehen. Vor ihm hockte keine Frau mehr, sondern ein Monstrum. Eine Mischung aus Mensch und Skelett.
Durfte so etwas noch leben?
Danford war ein harter Mann. Er hatte seine Prinzipien und wich auch nicht von ihnen ab. Ihm war klar, daß er durch seine Versuche an der eigenen Frau einen Riesenfehler begangen hatte, den er nun egalisieren wollte. Da gab es nur eine Möglichkeit.
Mary mußte sterben!
Noch konnte er sich nicht überwinden und sprach sie an. »Mary, hörst du mich?«
Sie hörte ihn bestimmt, auch wenn ein Ohr nur mehr aus Knorpeln bestand und die Haare an der linken Seite strähnig geworden waren. Aber sie gab keine Antwort, sondern zog den Mund in die Breite, und dieses angedeutete Lächeln gefiel dem Lord gar nicht.
Es kam ihm kalt und haßerfüllt vor. Er verstand seine Frau sogar.
Sie war kein Mensch mehr, sie mußte ihn einfach hassen. Doch genau dieser Ausdruck war es, der seinen Entschluß endgültig werden ließ.
Lord Danford wollte sich von diesem Monstrum befreien. Seine Fehler sah er ein, er hatte geforscht und war genau den berühmten Schritt zu weit gegangen, weil er die metaphysischen Mächte nicht mit in sein Kalkül einbezogen hatte.
Er schaffte es trotzdem noch, dieses Wesen vor ihm anzulächeln, als er aufstand. Mary sagte nichts mehr, aber sie veränderte sich auch nicht weiter. Diese rote Sonne, von der sie gesprochen hatte, schien sie nur an der linken Körperhälfte getroffen zu haben.
Der Lord kam sich vor, als würden unter seinen Sohlen rohe Eier kleben, als er sich auf den Weg machte. Bewußt schaute er Mary nicht an, aber sie mußte den Schweiß auf seiner Stirn sehen, vielleicht auch das Zucken an den Wangen und das Vibrieren der Mundwinkel. Er hatte Mary zwar vor über 30 Jahren geheiratet, dennoch war er im Prinzip ein Einzelgänger geblieben.
Lord Danford hatte nur mehr für sich und seine Ideen sowie Forschungen gelebt.
Sehr vorsichtig hob er eine Hand. Mary schaute nicht einmal auf, als ihr Mann die Fläche auf das Haar legte und es nach unten drückte. Er spürte unter den Strähnen den Knochen.
Dann hörte er ihr Lachen. Es klang etwas kichernd. »Hast du etwas vor, Peter?«
»Nein!«
Sie hielt ihn plötzlich fest. Ihre Knochenhand spannte sich um sein Gelenk.
Peter wollte sich natürlich von ihrem Griff lösen, aber die Kräfte seiner Frau waren einfach zu stark. »Bleib, mein teurer Gatte. Bleib nur bei mir. Ich habe dir etwas zu sagen.«
Er schaute auf die Sitzende. Sie hatte ihre Haltung nicht verändert und auch nicht den Kopf gedreht. So fiel ihr Blick auf den leeren Sessel des Lords.
»Was immer du tun willst, Peter, du schlägst den falschen Weg ein. Das will ich dir sagen. Ich bin nicht mehr die, die ich einmal war. Ich habe viel gesehen, ich habe mich verändert. Deine Kunst hat mir andere Welten eröffnet, und ich möchte dir sagen, daß dies nicht gerade von Vorteil für dich ist. Jetzt bin ich dir über.«
»Wie meinst du das?«
»Bisher habe ich getan, was du wolltest. Das ist vorbei. Du wirst mit mir leben müssen, Peter. Mit einer Gezeichneten, verstehst du? Mit einer Mischung aus Geist, Monstrum und Mensch. Niemand kann dir dies abnehmen. Ich würde es als Schicksal bezeichnen. Dein Schicksal und mein Schicksal sind fest
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