0455 - Gangstertod durch süßes Gift
Nachmittag gewesen. Wer es sich leisen konnte, hatte die Nachmittagsstunden im Schatten verbracht. Die wenigen Leute, die unterwegs gewesen waren, hatten offenbar alle Mühe gehabt, ihre Gedanken auf das Steuern des eigenen Wagens zu konzentrieren. Hitze lähmt die Gedanken und die Beobachtungsgabe. Der Mörder hatte davon profitiert.
Phil hatte in Washington eine nicht komplette aber umfangreiche Liste jener Leute vorgefunden, die sich als Deserteure noch auf freiem Fuß befanden. Er hatte sich Kopien der Fotos mitgeben lassen und sie dem General vorgelegt. Thorsten hatte zugeben müssen, dass sich der Gesuchte nicht darunter befand.
Es war eine Menge passiert, aber wir kamen nicht voran. Die Informationen, die Washington uns lieferte, hätten uns dazu berechtigt, die Nachforschung nach dem angeblichen Deserteur niederzuschlagen. Aber wir bleiben am Mann. Die Tatsache, dass der Name Roderick wie ein roter Faden durch die Ermittlungsarbeiten lief, gab dabei den Ausschlag. Wir suchten nicht nur Deserteure. Wir bekämpften vor allem die Rodericks unserer Stadt.
Wir hatten inzwischen erfahren, dass Phyllis Thorsten tatsächlich erdrosselt worden war. An dem Hals hatten sich winzige Textilfasern gefunden. Und Druckstellen, die klar auf ein Erwürgen durch Hände hinwiesen. Die Textilfasern stammten vermutlich von den Handschuhen, die der Täter getragen hatte. Es waren einfache Baumwollhandschuhe gewesen. Die Tasche des Mädchens blieb verschollen.
Die Tatzeit wurde nach der Autopsie mit fünfzehn Uhr dreißig bestimmt.
Ramsegger war mit einer belgischen FN vom Kaliber 7,65 getötet worden.
Es gab davon in diesem Lande schätzungsweise dreißig Prozent mehr Waffen, als registriert worden waren. GI’s hatten sie illegal aus Europa mitgebracht. Einige hatten die Waffen behalten, andere hatten sie verkauft. Viele dieser Pistolen waren in die Hände von Gangstern geraten.
Kelly, der Farmer, war damit beschäftigt, die Karten der Verbrecherkartei zu betrachten. Zweimal war er fast sicher gewesen, den Gesuchten erkannt zu haben. Beide Male täuschte er sich. Einer der Gangster saß in St. Quentin, der andere konnte ein hieb- und stichfestes Alibi vorweisen.
Alles lief planmäßig. Aber es kam nichts dabei heraus.
Und dann kriegten wir den Tipp vom CIA.
Eigentlich war es kein Tipp. Die Information war in dem Wochenbericht enthalten, der uns routinemäßig zugestellt wurde, um die Zusammenarbeit mit dieser Behörde zu untersteichen. Der Mann, um den es ging, hieß Mel Tomplin. Er hatte als Büfobote bei der Aviation Research Company in Northville, Long Island, gearbeitet. Vor einer Woche war er plötzlich nicht mehr wiedergekommen. Mit ihm waren eine Reihe wichtiger Pläne verschwunden. Die Beschreibung, die wir in den Informationsblättern fanden, deckte sich mit der jenes Mannes, den General Thorsten für einen Deserteur hielt.
Nun, Mel Tomplin war in gewissem Sinne ein Deserteur, er hatte seine Verpflichtungen und seinen Job im Stich ’ gelassen. Wir nahmen uns vor, Genaueres darüber in Erfahrung u bringen.
Phil und ich fuhren nach Northville.
***
»Fühlen Sie sich kräftig genug, eine Besucherin zu empfangen?«, fragte die Schwester.
Roderick grinste matt. »Wie sieht sie denn aus?«
»Sehr, sehr elegant, sehr, sehr jung, und sehr schön«, erwiderte die Schwester lächelnd.
»Was ist, wenn sie mir statt Blumen ein paar blaue Bohnen mitbringt?« fragte Roderick spöttisch. Es war zu spüren, dass sich hinter dem Spott eine geheime Angst verbarg.
Die Schwester schüttelte seufzend den Kopf. »Sie Ärmster. Kein Wunder, dass Sie solche Gedanken hegen. Aber Sie können ganz unbesorgt sein. Sie wissen doch, dass vor dem Zimmer ein Kriminalbeamter sitzt, nur zu Ihrem Schutz. Er lässt niemand passieren, der sich nicht ausweisen kann. Sollte mich gar nicht wundem, wenn er die Besucherin nach Waffen abklopft.«
»Also gut«, sagte Roderick. »Schicken Sie das Mädchen herein. Oder halt, warten Sie. Wie heißt die Kleine?«
»Thorsten«, sagte die Schwester und ging zur Tür. »Miss Thorsten.«
Roderick schluckte. Er starrte auf die Tür, die sich lautlos hinter der Schwester geschlossen hatte. Es dauerte einige Minuten, bis sich die Tür wieder öffnete.
Ein junges Mädchen trat ein. Rodericks Augen wurden rund und eisig. Auf seinem Gesicht zeichnete sich namenloses Erschrecken ab. »Phyllis…«, ächzte er.
Das Mädchen kam langsam näher. »Ich bin nicht Phyllis«, sagte sie leise.
Roderick schloss
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