0455 - Gangstertod durch süßes Gift
dumpfer Stimme hinzu. »Jedenfalls hoffe ich das.«
***
Ashwood rief mich an. »Eine Nachricht, die Sie interessieren wird«, sagte er. »Roderick ist abgehauen. Er ist aus dem Krankenhaus getürmt.«
»Haben Sie versucht, ihn zu Hause zu erreichen?«, wollte ich wissen.
»Klar«, meinte Ashwood. Seine Stimme klang noch matter und müder als sonst. »Ich habe es bei Eunice Patterson und bei einigen seiner Freunde versucht. Er ist verschwunden. Niemand weiß, wo er sich aufhält. Jedenfalls behaupten sie das.«
»Glauben Sie ihnen?«
»Kein Wort. Aber was soll ich machen? Roderick ist nicht aufzutreiben. Jetzt, wo Füller gestanden hat, könnten wir ihn endlich verhaften. Und was geschieht? Roderick bekommt Wind davon und geht uns durch die Lappen.«
»Tomplin ist hier«, sagte ich. »Er unterschreibt gerade im Nebenzimmer das Vernehmungsprotokoll. Sie können auf ihn als Zeugen gegen Roderick bauen. Haben Sie etwas von Phil Decker gehört?«
»Nein.« Ashwoods Stimme klang besorgt. »Hat er sich noch immer nicht gemeldet?«
»Es wird hohe Zeit, dass etwas geschieht«, sagte ich und hängte auf.
Die Tür öffnete sich. Mr. High kam herein. Er war in Hut und Mantel. Ich erhob mich. »Behalten Sie Platz, Jerry«, sagt der Chef und nahm den Hut ab. »Ich wollte nur noch mal reinschauen, um zu hören, was mit Phil los ist.«
Ich setzte mich. »Er wollte zu Boston. Ich bin sicher, dass er dort war. Ich habe versucht, mit Boston zu sprechen, aber niemand machte mir auf.«
Mr. High zog ein Blatt Papier aus der Tasche. »Hier ist der Haussuchungsbefehl. Fahren Sie noch einmal hin, Jerry. Falls Boston nicht da sein sollte, haben Sie Vollmacht, die Wohnung gewaltsam zu öffnen.«
»Ich fahre sofort los.«
»Rufen Sie mich an, sobald Sie etwas wissen«, bat Mr. High. »Meinetwegen kann das vier Uhr morgens sein.«
»Wird erledigt.«
Mr. High blickte mich ernst an. Ich sah, wie besorgt er war. Mir ging es nicht anders. Mr. High wollte noch etwas sagen, aber dann machte er kehrt und verließ das Office.
Zehn Minuten später saß ich in meinem Jaguar, und dreißig Minuten später war ich am Ziel. Ich klingelte an Bostons Wohnungstür. Niemand öffnete. Ich versuchte es ein zweites und drittes Mal. Hinter der Tür ertönten schlurfende Schritte. »Wer ist da?«, fragte eine Frauenstimme.
»Polizei! Öffnen Sie!«
Die Tür öffnete sich. Ich blickte in das Gesicht einer blassen, etwa fünfundzwanzigjährigen Frau. Sie war hellblond und stark geschminkt. Bekleidet war sie mit einem Morgenmantel und Sandaletten.
»Zeigen Sie mir Ihren Ausweis.« Sie betrachtete mein Passbild und fragte dann: »Sie wollen zu Ralph?«
»Erraten. Wo ist er?«
»Keine Ahnung. Ich warte seit über einer Stunde auf ihn.«
»Wer sind Sie?«
»Seine Freundin. Ich heiße Virginia Redcliff.«
Wir gingen ins Wohnzimmer und setzten uns. Miss Redcliff steckte sich eine Zigarette an. Trotz des hellblond gefärbten Haares und des dick aufgetragenen Make-up sah sie nicht wie eine Gangstermolly aus. Sie wirkte eher wie ein Vorstadt-Vamp, wie eine Stenotypistin, die sich bemüht, auf große Dame zu machen. Ich merkte, dass hinter der Fassade von Schminke eine gehörige Portion Angst saß. Möglicherweise war es das erste Mal, dass sie sich mit einem G-man unterhielt.
»Seit wann kennen Sie Boston?«, fragte ich.
»Seit ungefähr vier Wochen.«
»Wissen Sie, wovon er lebt?«
»Er verdient gut. Jedenfalls ist er immer gut bei Kasse.«
»Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie er zu dem Geld kommt?«
Die Frau hob die Augenbrauen. »Na, er wird’s wohl nicht klauen, oder?«
Ich gab es auf. »Wann sind Sie gekommen?«
»Vor einer Stunde. Das sagte ich bereits.«
»Fiel ihnen etwas auf, als Sie hereinkamen?«
Das Mädchen legte die Stirn in Falten. »Hier sah es ein bisschen durcheinander aus.«
»Was soll das heißen?«
»Ein Stuhl war umgefallen und die Vase mit den Blumen lag aui dem Boden.«
»Was schließen Sie daraus?«
»Nichts«, sagte sie zögernd. »Ich kann mir keinen Reim darauf machen.«
»Ich möchte mich in der Wohnung Umsehen.«
»Ralph wird sauer sein, wenn er hört, dass ich Ihnen das gestattet habe…«
Ich legte den Haussuchungsbefehl auf den Tisch. Ich durchstreifte die Räume und blickte in die Schränke und öffnete einige Schubladen. Die Suche endete zunächst ergebnislos. Dann stolperte ich in der Küche über eine elektrische Kaffeemühle, die auf dem Boden lag. »Was hat denn das zu bedeuten?«, fragte
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