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0456 - Der Geisterseher

0456 - Der Geisterseher

Titel: 0456 - Der Geisterseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Hörer auf die Halterung.
    Cristofero kam heran, das Gesicht von seinem wilden Geschrei noch gerötet. »Was habt Ihr da getan? Was ist das für ein Gerät, in das Ihr gesprochen habt?« fragte er.
    »Ein Telefon«, erklärte Zamorra. Er versuchte dem Grande das Prinzip klarzumachen, mit dem man sich über unglaubliche Distanzen unterhalten konnte.
    »Recht praktisch«, meinte Cristofero. »Es erspart wohl viele berittene Boten, und man kann direkt antworten, nicht wahr? So eine Erfindung wäre in meiner Zeit der Grundstock für ein Weltreich, glaube ich.«
    Zamorra lächelte. »Ihr werdet diese Erfindung kaum in Eure Zeit mitnehmen können. Selbst wenn Ihr es tätet, fehlten Euch die technischen Voraussetzungen sowie die dazugehörige Infrastruktur, diese Telefone zu produzieren und ein entsprechendes Leitungs- oder Funknetz zu errichten. Dasselbe gilt für diesen Wagen, an dessen Geschwindigkeit Ihr Gefallen gefunden zu haben scheint. In Eurer Zeit mangelt es an Treibstoff. Da gibt's eben kein Benzin. Nicht mal Lampenöl. Das muß alles noch entdeckt und erfunden werden.«
    Er war wieder ausgestiegen und sah zum Tor.
    Er rieb sich die Augen.
    Raffael war gekommen.
    Der alte Mann stand in den senkrechten schweren Holzbohlen der Brücke, und jetzt trat er daraus hervor, machte ein paar Schritte ins Nichts hinein und blieb mitten in der Luft über dem Graben stehen.
    »Monsieur?«
    »Moment mal«, murmelte Zamorra, während neben ihm Don Cristofero den Mund öffnete, ein paar Sekunden so verharrte und dann endlich die Sprache wiederfand. »Wie macht er das?« hörte er den Grande sagen. »Wie, bei allen Geistern, macht er das? Ist dieser Lakai etwa auch zauberisch begabt? Das kann doch nicht wahr sein!«
    Zamorra schritt auf den Graben zu. Raffael stand genau da in der Luft, wo normalerweise das Holz sein mußte. Dem Parapsychologen kam ein böser Verdacht. Er kauerte sich auf den Boden, streckte die Hand aus und fühlte - fühlte Holz unter seinen Fingern, wo keines war.
    »Monsieur, was ist mit Ihnen?« fragte Raffael. »Ich hoffe doch, daß Sie sich nicht nur einen dummen Scherz mit einem alten Mann erlauben.«
    »Sicher nicht«, murmelte Zamorra. Er richtete sich auf, machte einen vorsichtigen Schritt ins Nichts und stand auf festem, massivem Holz!
    Aber nach wie vor sah er die Zugbrücke senkrecht vor dem Toreingang stehen!
    »Das gibt's nicht«, murmelte er.
    Es mußte Magie im Spiel sein. Aber sein Amulett sprach nicht darauf an. Demzufolge handelte es sich nicht um Schwarze Magie. Aber was dann? Wer konnte ein Interesse daran haben, ein geschlossenes Tor zu simulieren?
    Er ging auf Raffael zu. »Hier spukt's«, bemerkte er.
    Als er in Richtung Auto sah, konnte er deutlich die heruntergelassene Zugbrücke unter seinen Füßen sehen. Drehte er sich wieder dem Tor zu, stand er im Nichts, und das Tor war geschlossen.
    Er stampfte mehrfach fest auf.
    Das Holz unter ihm war stabil.
    Inzwischen war auch Raffael aufgefallen, mit welchem seltsamen Phänomen sie es hier zu tun hatten. Der alte Mann schüttelte verwundert den Kopf und zog sich dann in den Innenhof zurück.
    »Na gut, fahren wir also hinüber«, brummte Zamorra. Er ging zum Wagen zurück, stieg ein und fuhr los.
    Ganz wohl war ihm dabei nicht. Sein Unterbewußtsein protestierte und signalisierte ihm ständig, daß er gleich mit dem Wagen in den Graben stürzen würde. Aber dann rumpelten die Räder über die unsichtbare Brücke, und der Wagen rollte auf das geschlossene Tor zu. Abermals mußte Zamorra sich zwingen, nicht instinktiv auf die Bremsen zu treten, sondern durch das imaginäre Hindernis hindurchzufahren.
    Er atmete auf, als der Wagen im Innenhof stand. Er schaltete den Motor wieder ab und stieg aus, um Don Cristofero zuzurufen: »Kommt, Señor! Auch wenn Ihr mich jetzt nicht sehen könnt! Es ist alles nur Blendwerk!«
    Der Mann aus der Vergangenheit setzte sich zögernd in Bewegung und überschritt die Brücke nun ebenfalls. Als er im Hof anlangte, tupfte er sich mit seinem Tüchlein Schweißtropfen von der Stirn, die nicht allein der Hitze zuzuschreiben waren.
    »Ihr verlangt mir eine Menge ab«, sagte er verdrossen. »Ich denke, für heute ist das Maß dessen, was Ihr mir zumutet, zum Überlaufen voll, Professor. Sollten sich mehr dieser Ärgerlichkeiten ereignen, möchte ich in Rage geraten. Und darüber«, er hob die Degenscheide hoch, die Zamorra ihm ja vom Gürtel geschnitten hatte, »darüber werden wir uns auch noch unterhalten müssen,

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