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0456 - Der Geisterseher

0456 - Der Geisterseher

Titel: 0456 - Der Geisterseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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des Fürsten geht vor«, sagte Stygia. »Geh aus meinen Augen, oder ich töte dich, Vogel.«
    »Der Hohe Schwarze wird dich nicht vergessen«, schnarrte der Krächzer und flatterte davon. Schon nach wenigen Metern löste er sich scheinbar in Nichts auf. Das leuchtende Sigill vor Stygias Gesicht war größer und greller geworden. Der Hohe Schwarze, der sie von irgendwoher beobachtete, schien sehr genau zu wissen, wo sie sich befand und was sie plante. Er hatte wohl nicht nur durch die Knopfaugen des Krähenvogels geschaut und sich dessen Stimme bedient.
    Inzwischen war die beschwörende Magie, die Stygia entfacht hatte, abgeflaut. Sie versuchte die Beschwörung zu wiederholen, aber diesmal gelang es ihr nicht so, wie sie es gern gehabt hätte. Der Hohe Schwarze mußte eine Art Gegenzauber veranstalten. Sie verwünschte das Rivalitätsdenken mancher Dämonen. Was auch immer er für eine Zeremonie plante - Stygias kurzzeitige Anstrengung konnte darauf kaum einen Einfluß haben. So intensiv waren die Schwingungen nun doch nicht, die von ihr ausgingen und durch den Äther eilten.
    Endlich fand sie Kontakt zu Ombres Gedanken. Und sie erfuhr, welche Sorge ihn plagte. Seine Schwester war entführt worden!
    Stygia konnte sich nur wundern. Was war daran so wichtig, daß sich Gedankenströme bis hin zum Fürsten der Finsternis zogen?
    Ihr Auftrag war erfüllt, sie hatte erfahren, was der Fürst hatte wissen wollte. Sie vollzog den Zauber, der sie zurück in die Höllen-Sphäre und in den Thronsaal des Fürsten brachte.
    Eine Zehntelsekunde später schlug dort, wo sie gerade noch gewesen war, der Blitz ein!
    ***
    Ombre hatte plötzlich das Gefühl, als würde eine fremde Kraft sich in seine Gedanken drängen. Er fühlte sich regelrecht beobachtet, obgleich er allein im Zimmer war. Aber es schien ihm jemand nicht nur über die Schultern zu sehen, sondern bis auf den Grund seiner Seele!
    Unwillkürlich sah er nach dem Amulett, das auf dem kleinen Tisch lag und das er einfach nicht los wurde, so oft er es auch versuchte. Es kehrte auf geheimnisvolle Weise immer wieder zu ihm zurück. Dabei wußte er, daß er einen großen Teil der Schwierigkeiten, mit denen er es in den letzten Monaten zu tun hatte, diesem Amulett zu verdanken hatte. Handtellergroß, silbrig schimmernd und mit rätselhaften Schriftzeichen versehen. Und es verfügte über Kräfte, die Ombre nicht begriff.
    Magie!
    Professor Zamorra besaß auch so ein Amulett. Insgesamt sieben Stück sollte es geben. Ombre wäre froh gewesen, wenn er nie eines dieser Zauberdinger in die Hand bekommen hätte. Magie, das war etwas, womit er nicht zurechtkam. Er versuchte vor ihr zu fliehen, aber sie holte ihn immer wieder ein.
    Jetzt wieder…?
    Das Amulett vibrierte leicht. Ombre erhob sich, ging zum Tisch und legte die Hand auf die Silberscheibe, die mit ihren Vibrationen über die Tischplatte zu wandern begonnen hatte. Das Amulett fühlte sich warm an.
    Hieß das nicht, daß sich eine fremde, magische Kraft in der Nähe befand?
    »Ausgerechnet jetzt«, murmelte Ombre, dem klar wurde, was ihn beobachtete und seine Seele berührte. Das mußte jene fremde Magie sein.
    Das hatte ihm zu allem Überfluß auch noch gefehlt!
    Jetzt, da seine Hand das Amulett berührte, spürte er eine Richtung. Die Silberscheibe wollte ihn ziehen und lenken. Er kannte das. Das Amulett versuchte nicht zum ersten Mal, ihn zu leiten. Jedesmal hatte er es bereut, wenn er diesem Sog nachgegeben hatte, aber wie jedesmal konnte er ihm auch jetzt nicht widerstehen. Er hob das an einer dünnen Silberkette hängende Amulett auf und verließ die Wohnung.
    Die Silberscheibe lenkte ihn nach links zum Hinterhof.
    Er öffnete die Tür, trat auf die Außentreppe hinaus, die nach oben führte - und sah gerade noch etwas Diffuses verschwinden; eine Wolke, die annähernd menschliche Umrisse besaß. Im gleichen Moment aber schmetterte auch ein Blitz aus dem Amulett in seine Hand und schlug dort ein, wo die verschwommene Wolke gerade noch existiert hatte. Die Luft knisterte, Funken sprühten an der Einschlagstelle, und Ozongeruch mischte sich in den leichten Schwefeldunst. Im gleichen Moment war aber auch das Gefühl verschwunden, beobachtet oder belauscht zu werden, und das Amulett in seiner Hand vibrierte nicht mehr, gab auch keine Wärme von sich.
    Die dämonische Erscheinung war verschwunden.
    »Verdammt«, murmelte Ombre und ließ sich auf die Steinstufen niedersinken. Abermals interessierte sich die Hölle für ihn!

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