0456 - Der Geisterseher
mein Lieber. Selbst wenn das hier Eure Zeit ist und nicht die meine, gibt es Dinge, die ich keinesfalls zu dulden gewillt bin. Habt Ihr mich verstanden?«
»Sicher«, sagte Zamorra und sah ihm nach, wie er in Richtung Hauptgebäude davonstolzierte, so graziös wie ein Elefant mit Ballettschuhen.
Und er fragte sich, wer für den Zauber mit dem Tor verantwortlich war. Sollte dem Gnom mal wieder etwas danebengegangen sein?
Warte, mein Freund , dachte er. Ich werde dich in deinem Experimentierdrang ein wenig zügeln!
***
Derweil hatte Nicole sich den Gnom schon vorgenommen. Zu ihrer Überraschung fand sie ihn mit den Peters-Zwillingen zusammen am Swimmingpool. Von einem großen Sonnenschirm beschattet und in eine Partie Schach gegen Monica vertieft. Ein Teil seiner grotesk bunten Kleidung, die ihm das Aussehen eines Hofnarren verlieh, lag neben dem Pool am Boden. Uschi Peters saß neben den beiden Kontrahenten und sah interessiert den einzelnen Zügen zu.
Der kohlrabenschwarze Gnom hörte sich Nicoles Vorwürfe an und schüttelte nur immer wieder heftig den Kopf. »Nein«, beteuerte er. »Unmöglich! Ich habe diesen Zauber nicht hervorgerufen, keinesfalls! Ihr müßt Euch irren, Herrin, wirklich!«
»Das stimmt«, sagte Uschi. »Anfangs haben wir uns im Wasser amüsiert, und anschließend haben die zwei begonnen, sich gegenseitig schachmatt zu setzen! Er kann wirklich nicht dafür verantwortlich sein!«
Nicole seufzte. »Vielleicht sind es nur Nachwirkungen eines Experiments, das schon etwas länger zurückliegt.«
»Mit einer so direkten, gezielten Aktion gegen dich? Kaum vorstellbar«, sagte Uschi.
»Ja, zum Teufel, wer soll dann dafür zuständig sein? Versucht doch mal, ob ihr irgendwelche fremden Gedanken auffangen könnt!«
»Du glaubst doch nicht im Ernst, daß sich jemand eingeschlichen haben könnte?« protestierte Monica. »Nachdem mittlerweile auch der Regenbogenblumenkeller abgeschirmt ist, ist das Château absolut dicht!«
»Könnte ja sein, daß irgendeine weißmagische Kreatur sich einen Schabernack erlaubt«, sagte Nicole. »Allerdings kann ich über so etwas überhaupt nicht lachen! Laßt ihr euch mal auf diese Weise wecken…«
»Lieber nicht«, winkte Monica ab. »Hättest du jetzt die Freundlichkeit, uns weiterspielen zu lassen? Ich gewinne nämlich gerade.«
Der Gnom grinste von einem Ohr zum anderen, zog einen Läufer vor und verkündete in tiefer Zufriedenheit: »Schachmatt!«
Entgeistert sah Monica abwechselnd ihn und dann das Spielfeld an. »Tatsächlich«, erkannte sie. »Das ist eine Frechheit, mich so hereinzulegen! Revanche!«
»Mit Vergnügen«, gestand der Gnom zu.
»Er war es wirklich nicht«, sagte Uschi zu Nicole. »Ich schwör's dir. Er hat die ganze Zeit über nicht gezaubert. Ganz bestimmt. Vielleicht hat sich ein Gespenst eingeschlichen. Oder wir haben einen Poltergeist.«
»Poltergeister können sich unter dem Schutzschirm nicht entwickeln, aber… Moment mal.« Sie entsann sich, daß der Gnom neulich, nach seiner Ankunft aus der Vergangenheit, den Schutzschirm an einer Stelle geöffnet hatte. Obgleich seine Magie nicht schwarz war, hatte er sich durch die Schutzglocke ein wenig gestört gefühlt bei seinen Zaubereien. Sollte er etwa…?
Nicole fragte ihn danach.
Der Gnom schüttelte heftig den unproportional großen Kopf. »Ich schwöre es Euch, Herrin«, beteuerte er. »Eher würde ich Eure Vorräte an Süßigkeiten plündern, als mich noch einmal an den Sigillen und Zeichen zu vergreifen, die den Schirm schließen!«
»An den Süßigkeiten vergreifst du dich doch sowieso«, sagte Nicole. »Ich werde es überprüfen.«
»Ihr traut mir nicht!« beklagte der Gnom sich. »Was habt Ihr nur gegen mich? Vielleicht hat Euer Gebieter selbst diesen Zauber entfesselt. Ich war's nicht, ich war's nicht und ich war's nicht!«
»Na schön.« Schulterzuckend wandte Nicole sich ab. Überprüfen würde sie die weißmagischen Symbole, die den Schutzschirm stabil hielten dennoch. Aber zunächst wollte sie unter die Dusche und sich ein paar Sachen anziehen; immerhin würde Zamorra irgendwann mit Don Cristofero zurückkehren, und Nacktheit, so schön sie auch bei dieser anhaltenden Sommerhitze war, gehörte nicht zu Cristoferos Welt. Es reichte schon, daß die Peters-Zwillinge kaum Rücksicht auf Cristoferos Empfindungen nahmen. Aber entweder dachten sich die Mädchen wirklich nichts dabei - was Nicole andererseits aber nicht so recht annehmen konnte - oder sie wollten den
Weitere Kostenlose Bücher