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0456 - Der Geisterseher

0456 - Der Geisterseher

Titel: 0456 - Der Geisterseher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Puls des Verwachsenen.
    »Nichts«, stieß sie hervor. »Er ist schon tot.«
    »Sicher?« fragte Zamorra.
    Nicole nickte. »Schau's dir an«, sagte sie und wies auf den Hals des Gnoms. Zamorras Nervenkostüm war weniger belastbar. Er wandte den Blick sofort wieder ab und schüttelte sich. »Verdammt, warum hat er das getan?«
    »Und warum ausgerechnet hier in deinem Arbeitszimmer und nicht in seinem Gästequartier?« fügte Nicole hinzu.
    »Du meinst, er ist auch ein Spuk?«
    »Ich bin ziemlich sicher«, sagte Nicole. »Es geht munter weiter, das Mörderspiel. Jemand hat es darauf abgesehen, uns nervlich zu zermürben. Glaubst du, du könntest hernach ruhig schlafen, selbst wenn du müde wärst?«
    Zamorra schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Also ein Nervenkrieg. Aber warum? Wem haben wir etwas getan? Und vor allem erklärt das nicht, wieso der Schutzschirm nicht wirkt.«
    Er ging zum Wandsafe, der sich hinter einer fugenlosen Tapetentür befand, tippte die Kodeziffer ein, deren Tastatur ebenfalls unter der Tapete lag und nur von jemandem bedient werden konnte, der hundertprozentig und auf den Millimeter genau wußte, wo sie lag - und das waren nur Zamorra, Nicole und Raffael. Blitzartig schwang die Safetür auf. Genau drei Sekunden lang blieb sie offen. Diese Zeit war programmiert, und die Programmierung war nicht zu manipulieren. Drei Sekunden reichten dem Wissenden, das Gesuchte praktisch blind herauszugreifen oder etwas zu deponieren und sich genau zu merken, wo es lag. Danach schloß der Safe sich automatisch, und nichts auf der Welt konnte diesen Vorgang stoppen, nicht einmal eine Nottaste. Einem Dieb würde unweigerlich die Hand abgequetscht werden, und gleichzeitig würde bei Registrierung eines Widerstandes ein automatisches Alarmsignal bei der Polizei in Feurs ausgelöst werden. Diese Sicherheitseinrichtung stammte noch aus jener Zeit, in der es den weißmagischen Schutz um Château Montagne nicht gegeben hatte. Aber da es auch die Möglichkeit gab, daß Dämonen oder Schwarzmagier ganz normale Gangster zu Einbrüchen überredeten und bezahlten, auf die die Abschirmung nicht wirkte, hatte Zamorra an dieser Einrichtung nichts geändert.
    Der Safe war für Fremde ohnehin unsichtbar; wer mit dem Zweck des Diebstahls danach suchte, hatte selbst schuld, wenn er Schaden nahm. Und für den Notfall, der bislang erfreulicherweise noch nicht eingetreten war, war Zamorra gut versichert.
    Zamorra griff zu, nahm den Dhyarra-Kristall 3. Ordnung heraus und sah zu, wie der Safe sich wieder schloß. Dann aktivierte er den Kristall und wandte sich dem am Boden liegenden Gnom zu. Er gab dem Kristall den mentalen Befehl, den Gnom aufzulösen, falls es sich bei ihm um eine spukhafte Illusion handelte.
    Nichts geschah.
    Der Erhängte blieb dort unverändert liegen, wo er lag. Plötzlich füllte Don Cristofero die Bürotür aus. Er sah den Gnom und erblaßte. »Was habt Ihr ihm angetan?« stieß er hervor. »Nun hat er es wahrgemacht!«
    »Was?« fragte Zamorra erstaunt.
    Don Cristofero streckte den Arm aus und zeigte auf Nicole. »Eure Mätresse, Professor, hat ihm heute dermaßen mit ungerechten Vorwürfen zugesetzt, daß er mir sein Leid klagte und behauptete, mit diesen Vorwürfen nicht mehr leben zu können! Sie hat ihn zu Tode gequält! Ich wußte nicht, daß er wahrhaftig so empfindlich ist, daß er sich wirklich das Leben nimmt!«
    Er sah Nicole finster an.
    »Es ist schade, daß die Zeit der Scheiterhaufen vorbei ist«, grollte er. »Ich würde einen Grund finden, Euch auf dem Scheiterhaufen als Hexe verbrennen zu lassen!«
    Er kauerte sich neben dem Gnom nieder und entfernte den Strick, den Nicole gelockert hatte, gänzlich. Nico le erhob sich und trat zurück. Zamorra sah, daß die Augen des Grande feucht waren. Der Mann trauerte um seinen Schützling, und er meinte diese Trauer verdammt ehrlich. Er hatte an dem kleinen Schwarzhäutigen einen Narren gefressen. Vielleicht war der Gnom in der Vergangenheit das einzige Wesen, das man vorbehaltlos zum Freund haben konnte, aus der es gegen andere zu intrigieren in der Lage war. Aber es war nicht nur dieser Sicherheitsgedanke. So sehr Don Cristofero den Gnom auch hochherrschaftlich herumkommandierte, so sehr kam immer wieder seine geradezu väterliche Zuneigung und Fürsorge durch.
    »Was habt Ihr getan?« murmelte der Grande. »Ihr habt ihn in den Tod getrieben! Zamorra deMontagne, ich verlange Genugtuung. Dieser Tod muß gesühnt werden!« Er richtete sich auf.

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