0457 - Heiße Sehnsucht nach Sing-Sing
High erneut.
»Und das, meine Herren«, schloß er betont, »das bedeutet nichts anderes, als daß heute nacht ein Bandenkrieg bevorsteht.«
***
Während im Distriktgebäude Polizei-Offiziere aller drei im Staate New York arbeitenden Polizei-Organisationen tagten, gab es ein paar Meilen nördlich eine Konferenz, zu der sich bisher zwar erst zwei Männer eingefunden hatten, die aber doch in einem direkten Zusammenhang zur Besprechung der Poli zisten stand. Es begann damit, daß Carlo Veraldez, ein 34jähriger, mehrfach vorbestrafter Portorikaner, durch die Hintertür die Bar »Schwarze Seele« betrat. Merkwürdigerweise stand die Hintertür an jenem Abend offen, was sonst nie der Fall war. Und Veraldez schien sich auszukennen. Ohne ein einziges Mal zu zögern, ging er auf die Tür zu, die mit der Aufschrift »Office« verziert war. Er klopfte nicht an, sondern drückte die Tür sofort auf.
»Hallo, Chester«, murmelte er dem riesigen Neger zu, der hinter seinem Schreibtisch saß wie ein Gigant hinter einem Puppenstubenmöbel.
»Tag, Veraldez«, erwiderte der Barbesitzer und gähnte. »Das war ein anstrengender Tag. Ich würde am liebsten gleich ins Bett gehen. Früh um halb neun schon auf den Beinen zu sein, das ist nichts für einen Nachtklubbesitzer.«
»Du willst doch nicht etwa den nächsten Cou…«
»Ruhig!« zischte Chester schnell. »Hier unten wird nicht über Geschäfte geredet, das habe ich dir schon hundertmal gesagt!«
»Hundertmal?« grinste der Portorikaner. »Ich bin doch erst viermal hiergewesen!«
»Egal! Jedenfalls gewöhne es dir endlich ab hier im Büro das Maul aufzumachen. Wo bleibt Spelatti?«
»Keine Ahnung. Ich dachte, er wäre längst hier.«
»Das ist er nicht. Aber er weiß ja Bescheid. Komm, wir gehen ’rauf in meine Wohnung. Meine Füße brennen wie Feuer, und ich muß mich ein paar Minuten lang hinlegen.«
Zusammen stapften die beiden Männer eine Treppe zum ersten Obergeschoß hinauf, nachdem der Neger mit pedantischer Sorgfalt sein Büro abgeschlossen hatte. Chesters Wohnung bestand aus einem überdimensionalen Wohnzimmer mit imitiertem Kamin und recht umfangreicher Hausbar, einem kleinen, kitschig eingerichteten Eßzimmer mit Platz für höchstens ein Dutzend Tischgäste, einem Schlafzimmer, in dem Spiegel regierten, Spiegel, die an allen Wänden und sogar an der Decke hingen, und schließlich dem schwarz-rot gekachelten Badezimmer mit im Boden eingelassener Wanne. Als Chester die Tür zum Wohnzimmer aufstieß, blieb er plötzlich stehen, neigte den Kopf schief und brummte: »Verdammt nochmal!«
»Was ist denn?« fragte Veraldez.
»Ich muß heute nachmittag, als ich das letzte Mal oben war, vergessen haben, abzuschließen. Das passiert mir doch sonst nicht.«
Die beiden Gangster tauschten einen raschen Blick. Dann zog Veraldez eine schwere Pistole aus der Schulterhalfter, während Chester in stillschweigender Übereinstimmung einen kleinen Revolver aus der Gesäßtasche fischte, der sich in seiner gewaltigen Pranke so winzig ausnahm, daß man ihn unwillkürlich für ein völlig ungefährliches Spielzeug halten wollte.
Auf Zehenspitzen tappten sie in das unbeleuchtete Wohnzimmer. Einer alten Marotte Chesters zuliebe waren die Vorhänge selbst tagsüber ständig zugezogen und mit dichten Überportieren verdoppelt, so daß auch jetzt kein Lichtschimmer von den Reklamelampen in der Straße hereinfiel. In absoluter Schwärze lag das große Zimmer wie eine endlose Finsternis vor ihnen. Veraldez tappte fast blind hinter dem großen Neger her.
Chester fand den Lichtschalter mit der Sicherheit des Mannes, der jahraus, jahrein in denselben Räumen dieselben Schritte tat. Als die Lampen aufflammten, sahen sich die beiden Gangster mit lauernd vorgereckten Köpfen um. Aber es war auch hier niemand. Mort Chester riß die Tür zum Eßzimmer auf. Nichts. Die Tür zum Badezimmer. Wieder ein negatives Ergebnis. Schließlich die Tür zum Schlafzimmer: auch hier niemand. Trotzdem sah Chester sogar noch in den sechs aneinandergereihten Kleiderschränken nach.
»Okay«, brummte er und gähnte wieder, als er ins Wohnzimmer zurückkam. »Ich muß tatsächlich vergessen haben, abzuschließen. Setz dich, Veraldez, mach es dir bequem. Wenn du was trinken willst, bediene dich an der Hausbar. Es ist alles da, was das Herz begehrt. Bring mir einen Gin mit, pur, aber auf Eis.«
»Gern, Chester. Du hast vielleicht eine Bude! Junge, Junge, der Neid kann einen packen.«
»Wenn wir das ganze
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