0457 - Jagd nach dem Templer-Gold
seine Hobbies so gut wie mit keinem Menschen.
Es gab für den dreiundfünfzigjährigen Mann mit dem schütteren Blondhaar nichts Schöneres, als in der Badewanne zu liegen und sich zu entspannen.
Badewannen gibt es in jeder Wohnung, aber der Professor brauchte noch ein gewisses Drumherum. Sein Bad mußte fast wie eine Wohnung eingerichtet sein, und so etwas hatte er auch gefunden. In einer alten Villa im Taunus hatte er die obere Etage gemietet.
Wasserabstoßende, beigefarbene Tapeten hatte er anbringen lassen. Alles andere war bereits vorhanden: Eine Ruheliege, eine ovale, geräumige Wanne, in der zwei Personen Platz gefunden hätten, zwei Blumenbänke im rechten Winkel zueinander stehend, auch Kübelpflanzen und ein breiter Spiegel.
Die hellblau und grau schimmernden Einbauschränke fielen kaum auf, ebensowenig wie die kleinen Terrazzo-Fliesen, die farblich mit den Schränken harmonierten.
Professor Engelbrecht war zufrieden. Auch deshalb, weil der Raum ein sehr großes Fenster besaß, durch das er, wenn es geöffnet war, selbst aus der Wanne in den Garten schauen konnte, wo noch alter Baumbestand mit seinem tief verankerten Wurzelwerk den Hang abstützte.
Der Archäologe war zufrieden. Den Haushalt führte ihm eine junge Nichte. Seine Frau war schon vor über sechs Jahren gestorben. An eine erneute Heirat dachte er nicht mehr.
Auch an diesem Tag lag Engelbrecht wieder in der Wanne. Die dreitägige Dienstreise hatte ihn doch mehr geschlaucht, als er zugeben wollte. Nun war er froh, im warmen Wasser zu liegen. Seine Hände stützte er auf dem Lesebrett ab, das sich von einem Wannenrand zum anderen spannte.
Er hatte Bücher in Reichweite stehen, auch seine langen Zigarren und die Flasche Chablis. Diesen Wein trank er für sein Leben gern.
Er liebte die grüngelbe Farbe und den leichten Duft nach getrocknetem Heu. Ein Glas hatte er schon getrunken, und er ging dabei nach einem genauen Ritual vor. Wenn er aus der Wanne stieg, hatte er vier Gläser Chablis geleert. Dann wechselte er den Platz, legte sich auf die Ruhebank und schlief ungefähr zwei Stunden.
Draußen schien eine herrliche Herbstsonne. Zwar begann der Oktober erst in zwei Tagen, doch für Engelbrecht war es jetzt schon der Goldene Oktober. Er nahm sich vor, einige längere Spaziergänge durch die Wälder des Taunus zu machen, um frische Luft zu tanken.
Er schaute durch das Fenster und den schon in bunten Farben glänzenden Blättern zu, mit denen der Wind spielte.
Nach dem ersten Glas Chablis mußte er wieder warmes Wasser nachlaufen lassen. So war es immer, so würde es immer sein, wenn er seinen Rhythmus beibehielt.
Aus dem matt schimmernden Metallhahn rann heißes Wasser und sorgte für eine neue Schaumschicht.
Während das Wasser lief, schenkte er sich Chablis ein, drehte den Hahn ab und behielt das Glas in der rechten Hand. Er schaute sich den edlen Weißwein prüfend an, nickte einige Male und sah noch einmal durch die Flüssigkeit. Wegen der Lichtbrechung sah er alles verzerrt, auch die hohe Tür, die sich plötzlich bewegte.
Zunächst dachte Engelbrecht, an eine Täuschung. Der Wein konnte gezittert haben, doch einen Moment später, als er das Glas abstellte, sah er, daß es kein Irrtum war.
Jemand öffnete die Tür.
Seine Nichte konnte es nicht sein. Die hatte das Haus bereits verlassen und wollte erst am nächsten Tag wiederkommen.
Wer dann?
Engelbrecht sah noch keinen Besucher, da die Tür den anderen noch deckte.
Aber er kam.
Die Gestalt zeichnete sich plötzlich ab, als die Tür ruckartig aufgestoßen wurde.
Die Augen des Professors wurden starr. Er fühlte sich plötzlich in einen Film versetzt, denn die Gestalt paßte nicht in die heutige Zeit.
Sie trug einen alten Radmantel aus einem sackähnlichen Stoff. Ein schwarzgrauer Bart hing wie Gestrüpp von ihrem Kinn nach unten, der Blick der dunklen Augen war stechend, die Lippen besaßen einen grausamen Zug.
»So sieht ein Mörder aus!« dachte Engelbrecht und wunderte sich darüber, wie ruhig er blieb, auch als der Eindringling die Tür von innen schloß, sich wieder umdrehte und den Professor anschaute.
Engelbrecht dachte nicht an seine Nacktheit. Er hörte, wie die kleinen Schaumbläschen zerplatzten, holte tief Luft und fragte mit leiser Stimme: »Wer sind Sie?«
Der Mann in seiner altertümlichen Kleidung lächelte breit und grausam. Als er sprach, klang seine Stimme unnatürlich weich, fast flüsternd, aber sehr akzentuiert. Mit einer Hand strich er über seine
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