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0459 - Die Herrin der Drachen

0459 - Die Herrin der Drachen

Titel: 0459 - Die Herrin der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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oder von anderen Begriffen ableiten konnte.
    Das Übersetzungsproblem wäre also an sich kein Problem gewesen.
    Aber Zamorra spürte, daß da noch etwas anderes war; seltsamerweise warnte das Amulett ihn nicht. Zamorra spürte es nur von sich aus.
    Der Overallträger sprach hypnotisierend.
    ***
    »Keiner zu Hause«, ertönte die helle Mädchenstimme, als Julian zum dritten Mal auf den Klingelknopf drückte. »Erstens ist niemand hier, zweitens sind wir schon vor zehn Jahren in eine andere Stadt weggezogen, und drittens gibt es uns überhaupt nicht.«
    »Dann kann ich die offenbar leerstehende Wohnung ja ruhig betreten«, sagte Julian und rüttelte an der Klinke.
    Augenblicke später wurde von innen der Schlüssel gedreht und die Tür aufgezogen. »Was - was willst du hier?« entfuhr es Angelique Cascal.
    Julian sah das Mädchen an. »Darf ich eintreten?«
    »Nein!« sagte sie. »Verschwinde! Laß uns endlich in Ruhe und geh zur Hölle, aus der du kommst!« Sie wandte sich ab und ließ Julian einfach in der offenen Wohnungstür stehen.
    Julian folgte ihr langsam und schloß die Tür hinter sich. Angelique betrat ihr kleines Zimmer und warf sich auf das Bett. Julian lehnte sich an den Türrahmen.
    »Warum gehst du nicht?« fragte das Mädchen. »Laß uns in Ruhe. Laß uns endlich in Ruhe und komm nie wieder.«
    »Du willst das nicht wirklich«, sagte er leise.
    Er betrachtete sie. Sie war, wie er wußte, inzwischen fast siebzehn Jahre alt. Sie war nicht das, was man als hübsch bezeichnete und auf Illustrierten-Covers abbildete, aber dort landeten dunkelhäutige Mädchen ohnehin nur selten. Aber von ihr ging eine eigenartige Schönheit aus, die Julian in ihren Bann geschlagen hatte, als er die Kreolin zum ersten Mal gesehen hatte. Und es war nicht nur ihr Aussehen. Es war ihre Art…
    Sie war weit selbständiger als andere Mädchen ihres Alters und wußte sich gut zu verkaufen. Sie managte gewissermaßen den kleinen Cascal-Haushalt und kümmerte sich nebenher aufopfernd um ihren contergangeschädigten älteren Bruder Maurice, der an den Rollstuhl gefesselt war und es immerhin geschafft hatte, eine höhere Schule zu besuchen. Deshalb war er tagsüber nicht daheim. Julian nahm an, daß andererseits Yves Cascal anwesend war, der Mann, den man den Schatten nannte. Aber er würde jetzt schlafen. Er war nachts unterwegs, um meist am Rande der Legalität den Lebensunterhalt für die kleine Familie zu besorgen.
    Und von Yves sprach Angelique jetzt. »Wenn du gekommen bist, um Ombre erneut zu belästigen - vergiß es! Wie oft muß man dir noch klarzumachen versuchen, daß er nie für dich arbeiten wird? Laß ihn in Ruhe. Verschwinde, du Oberteufel.«
    Julian lächelte. Obgleich es gerade der realistisch denkenden Angelique schwerfiel, an abstrakte Dinge wie die Hölle oder an Zauberei zu glauben, wußte sie doch, daß Julian der Herr über die Schwarze Familie der Höllendämonen war. Oft genug hatte sie durch ihren ältesten Bruder erfahren müssen, daß es Dämonen und Magie gab, nicht zuletzt durch dieses seltsame Amulett, das er besaß und liebend gern losgeworden wäre - nur kam es immer wieder zu ihm zurück, ob er das nun wollte oder nicht. Und es führte ihn immer wieder in haarsträubende Situationen, die nicht nur Angelique um sein Leben fürchten ließen. Er wollte davon freikommen. Er hatte es abgelehnt, sich in die Crew jenes Parapsychologen und Geisterjägers Zamorra aus Frankreich einzureihen, und er hatte es abgelehnt, Julian Peters zu unterstützen. Er wollte nur in Ruhe gelassen werden, obgleich Julian erhebliche Anstrengungen gemacht hatte, Ombre für sich zu gewinnen. Denn so unterschiedlich diese beiden Geschöpfe waren, so gab es doch zwischen ihnen ein seltsames, unbegreifliches Band, das sie zueinander zog. Das war schon so gewesen, ehe Julian geboren worden war. Diese Verbindung hatte Ombre nach Florida gelenkt, ohne daß er damals gewußt hatte, worum es überhaupt ging, und es hatte ihn - durch das Amulett, vielleicht auch durch Shirona? - in Julians Traumwelten gezogen…
    Aber er wollte das nicht. Das hatte er oft genug unmißverständlich gesagt.
    Doch bislang hatte Julian ihn immer wieder bedrängt, hatte nicht lockergelassen. Er wollte diesen seltsamen Mann, den man l’ombre, den Schatten, nannte, an seiner Seite wissen.
    Julian trat langsam in das kleine Zimmer mit Bettcouch, Stuhl, Tisch, zwei Schränken, einer Kommode, einem Plattenspieler, unzähligen Postern als Tapetenersatz, dem kleinen

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