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0459 - Reklame für den toten Boß

0459 - Reklame für den toten Boß

Titel: 0459 - Reklame für den toten Boß Kostenlos Bücher Online Lesen
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stets eine äußerst aktuelle Vermißtenseite. In drei Blättern befand sich das Foto von William Shunkers. Ein findiger Reporter hatte sogar den Lebenslauf ausgegraben und ihn im Telegrammstil wiedergegeben.
    Als wir die Little Italy erreichten, waren etwa fünfundvierzig Minuten vergangen. Der Gang durch die Septemberluft erfrischte. Nach acht Minuten befand ich mich im Flügel der Vermißtenpolizei. Sie hat täglich Hunderte von Schicksalen zu klären. Denn in einer Stadt wie New York verschwinden stündlich Menschen. Die Arbeit der Kollegen wird noch dadurch verstärkt, daß kein Meldezwang besteht.
    Mr. Bloom war ein untersetzter Mann in den fünfziger Jahren. Er hatte einen blankpolierten Schädel und eine randlose Brille. Er mußte zu den Menschen zählen, die immer lächeln. Aber seine Augen fixierten mich kalt und scharf, als ich sein Office betrat.
    Bloom studierte jede meiner Bewegungen, als ich ihn und Phil begrüßte.
    »Sie also sind Jerry Cotton«, sagte er, als ich mich auf einem Metallhocker niederließ. »Ich habe schon eine Menge von Ihnen gehört.«
    »Danke.«
    »Dieser Shunkers ist ein interessanter Fall«, begann Bloom. »Er verhält sich instinktiv richtig, reagiert völlig normal auf alle Tests. Aber die Erinnerung scheint ausgelöscht zu sein. Ich habe ihm seinen Namen noch nicht genannt. Weil solche Leute die Angewohnheit haben, diesen Namen einfach anzunehmen, ohne natürlich zu wissen, daß sie es tatsächlich sind. Eine Art von Bewußtseinsspaltung tritt dann auf. Wir dürfen ihm‘also noch nicht sagen, daß er Mr. Shunkers ist.«
    »Halten Sie es auch für falsch, Shunkers in seine Villa zu bringen?« fragte ich.
    »Sie meinen, daß diese gewohnte Umgebung gewisse Reaktionen auslöst, sein Gedächtnis wieder reaktiviert?« fragte Bloom.
    Ich nickte.
    »Man sollte ihm in erster Linie Ruhe gönnen. Ein Schock kann die Ursache sein, daß er seinen Namen und alles, was sich bis heute zugetragen hat, vergaß. Ich bin überzeugt, daß die Erinnerung wieder lebendig wird, sozusagen wieder an die Oberfläche des Bewußtseins dringt. Aber mit solchen Patienten muß man Geduld haben.«
    »Ich verstehe Sie, Mr. Bloom«, sagte ich, »aber es geht hier um Menschenleben. Shunkers wurde von einer Bande geschnappt und erpreßt. Diese Bande hat mehr als hundert Millionäre in ihren Klauen. Sie scheut nicht vor einem Mord zurück, sobald einer aus der Reihe zu tanzen wagt. Wir müssen so schnell wie möglich zum Ziel kommen. Verstehen Sie, Mr. Bloom? Es geht darum, eine Mordserie zu verhindern. Wir müssen herausfinden, was die Bande mit Shunkers angestellt hat. Weist sein Körper irgendwelche Verbrennungen auf?«
    »Nein, Shunkers ist weder geschlagen noch gefoltert worden. Ich habe ihn genau untersuchen lassen auf Injektionsstiche. Aber auch hier Fehlanzeige. Es gibt nur eine Möglichkeit, daß man ihm eine Droge verabreicht hat, die diese Auswirkung hatte. Eine Blutprobe ist ebenfalls genommen worden. Allerdings wird eine Droge, die auf dem Verdauungsweg in den Körper gelangt, nach vier bis sieben Stunden wieder ausgeschieden. Bei einem mehrstündigen Aufenthalt im Wasser arbeitet der Kreislauf bedeutend schneller, die Verbrennung wird gefördert und damit auch der Aufbau der Drogensubstanz.«
    »Also, die Hoffnungen, etwas zu entdecken, sind mehr als gering«, sagte ich leise. Der Psychiater zuckte die Achseln, stand auf und sagte:
    »Bitte, sehen Sie sich selbst Mr. Shunkers an. Aber vermeiden Sie es, seinen Namen zu nennen.«
    Wir verließen das Office.
    Bloom ging voran und schloß eine Tür auf, die seinem Büro schräg gegenüberlag. Das Zimmer erinnerte an ein Krankenzimmer. Es hatte zwei Fenster aus Milchglas. An der rechten Wand stand ein weißlackiertes Bett, daneben ein Nachtschränkchen. An der linken Wand befand sich eine Couch mit einem niedrigen Tisch.
    Der Mann in den Kissen hatte ein rosiges Gesicht und lächelte Mr. Bloom wie einen alten Bekannten an.
    »Na, Doc, was haben Sie jetzt wieder mit mir vor?« fragte er. Nicht die leiseste Spur von Mißtrauen war in seinem Sprechen.
    »Die Gentlemen sind gekommen, um Ihnen einen Besuch abzustatten«, sagte Bloom. »Kennen Sie vielleicht einen der Herren?«
    Shunkers musterte mich genau von Kopf bis Fuß, desgleichen meinen Freund. Dann schüttelte er den Kopf.
    »No, Mr. Bloom. Sie sind mir nicht bekannt. Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß ich mich wie in einem Traum befinde. Alles, was Sie sagen, glaube ich. Sie behaupten, ich bin

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