0459 - Reklame für den toten Boß
dieser Fall in die Hände des FBI gehört, obgleich ich als Richter — ich bin eine Periode lang im Richteramt tätig gewesen — sagen muß, daß wenig Aussichten bestehen, gegen Verbrechen dieser Art anzugehen.«
»Sie wissen Einzelheiten über Shunkers’ Schicksal?« fragte Phil.
»Nein, leider nicht. Aber vor etwa zwei Stunden rief mich einer der etwas zwielichtigen Kollegen an, denen man allerdings nichts nachweisen kann. Deshalb muß ich mich hüten, etwas Nachteiliges über ihn zu sagen. Er setzte mich telefonisch davon in Kenntnis, daß er ein Testament besitze, das er an mich weiterzuleiten habe. Es sei ein Testament von einem gewissen William Shunkers. Ich erwiderte, daß Shunkers bereits ein Testament gemacht hat, das in seinem Safe liege. Aber er wies mich darauf hin, daß jedes Testament geändert werden könne, sogar noch auf dem Sterbebett. Und Shunkers habe offenbar an dieser Änderung gelegen. Er, der Rechtsanwalt, sei mitten in der Nacht abgeholt worden, um dieses neue Testament zu bestätigen und entgegenzunehmen.«
»Fand Ihr Kollege das nicht außergewöhnlich?«
»Nein, keineswegs. Seine Kundschaft setzt sich aus sehr seltsamen Leuten zusammen, die oft mitten in der Nacht einen gerichtlichen Beistand gebrauchen wie andere Menschen einen Arzt. Auch vom Juristischen ist dagegen nichts einzuwenden.«
»Haben Sie das neue Testament da?« fragte Phil.
»Ja, der Kollege hat es mir herübergeschickt. Ich habe es geöffnet. Dazu bin ich berechtigt. Aber mich traf der Schlag. In diesem Testament vererbt Mr. Shunkers seine Werke und seine sämtlichen Grundstücke einer Werbeagentur, die durch den Rechtsanwalt vertreten wird. Nun ist es keineswegs erforderlich, in einem Testament Motive und Gründe anzugeben, warum man seinen Letzten Willen völlig umwirft und einen neuen Erben aussucht. Ich werde trotzdem Einspruch gegen dieses Testament erheben, werde aber, so wie die Dinge jetzt liegen, kaum durchkommen.«
Mr. Stiller wischte sich wieder über die Stirn, die von kleinen Schweißperlen übersät war.
»Haben Sie die Unterschriften verglichen?« fragte Phil und bot seinem Besucher eine Zigarette an.
»Das war das erste, was ich tat. Die Unterschrift bei dem letzten Testament ist etwas unsicher gewesen, aber es ist garantiert William Shunkers’ Hand gewesen.«
»Sie meinen, daß Mr. Shunkers zur Unterschrift gepreßt worden ist?«
»Das kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls wird mein Kollege genauso gut wie ich wissen, daß er im Falle einer Erpressung, bei der er als Anwalt mitgewirkt hat, seine Praxis schließen kann — für immer. Deshalb kann ich mir nicht vorstellen, daß er so etwas für das lumpige Honorar riskiert.«
»Sie haben das Testament nicht in der Tasche?«
»Nein, ich habe es sofort zu einem Graphologen gebracht, der die beiden Unterschriften vergleichen soll, obgleich ich sicher bin, daß sie von Shunkers sind.«
»Sie trauen Ihrem Kollegen nicht zu, bei einer Erbschleichersache mitgewirkt zu haben?« fragte Phil.
»Nein, aber es gibt doch eine andere Möglichkeit, daß Shunkers vorher willfährig gemacht wurde. Aber das zu beweisen, ist nicht meine Angelegenheit, sondern Sache des FBI.«
Seine Zigarette lag im Aschenbecher und verqualmte.
»Ist die Adresse der Werbeagentur im Adressbuch angegeben?«
»Nein. Der Anwalt vertritt die Agentur und wickelt alle Geschäfte für sie ab. Wahrscheinlich werden die Burschen verkaufen und dann mit dem Geld verschwinden.«
»Aber Sie kennen die Adresse Ihres Kollegen. Würden Sie mich zu ihm begleiten?« fragte Phil.
»Ich bin nicht von Ihrer Bitte begeistert«, erwiderte Mr. Stiller, »weil mir der Kollege irgendwie Futterneid vorwerfen kann, verstehen Sie? Weil ich das Testament anzweifle. Aber ich schwöre Ihnen, daß es andere Gründe hat, ich vermute ein glattes Verbrechen hinter der Geschichte. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen.«
»Und genau aus diesem Grunde wollte ich Sie bitten, mich zu begleiten«, sagte mein Freund.
»Gut, schweren Herzens werde ich Ihren Wunsch erfüllen«, sagte der Anwalt, »aber ich bin sicher, daß ich Scherereien bekomme.«
Phil gab Mr. High einen kurzen Telefonbericht und verließ mit dem Anwalt unser Office.
Eine halbe Stunde später stoppte der Rolls Royce des Anwalts in einer finsteren Seitenstraße in Village.
»Hier muß der Kollege wohnen«, sagte Stiller, verglich die notierte Anschrift und nickte.
Sie betraten einen muffigen Flur, der nach Mittagessen roch.
Als sich ihre Augen
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