046 - Der Schatten des Werwolfs
nach dem Telefon. »Was soll ich sagen, wenn sich Carol meldet, Dor … Verdammt!«, fluchte er. »Ich weiß ja nicht einmal, wie ich Sie jetzt ansprechen soll. Ich würde vorschlagen, wir bleiben bei Dorian. Einverstanden?«
›Dorian Chasen‹ nickte.
»Einverstanden. Ich erinnere mich nur recht undeutlich an die letzten Tage. Das ist seltsam, denn an alles was vorher war, kann ich mich genau erinnern. Ich weiß sogar noch, welches Kleid meine Frau zu ihrer Hochzeit getragen hat. Es war … unwichtig. Aber in der vergangenen Woche beschäftigte ich mich intensiv mit einem seltsamen Projekt. Ach ja, jetzt kann ich mich erinnern. Ich bekam von einer Familie Lorrimer einen merkwürdigen Auftrag. Ich sollte die Pläne für ein Bauwerk ausarbeiten, das so gewaltig und genial sein sollte, dass es alles bisher Geschaffene übertraf. Ich durfte meiner Phantasie freien Lauf lassen. Ich bekam einen gewaltigen Vorschuss und traf mich zwei Mal mit einem jungen Mädchen. Sie war ungewöhnlich attraktiv. Sie hieß Elvira Lorrimer.« Dorian schloss die Augen wieder. »Hm, ich telefonierte sogar noch heute mit ihr. Doch an das Gespräch selbst kann ich mich nicht mehr erinnern.«
Cohen hatte interessiert zugehört. »Vielleicht gebe ich mich als ein Mitglied der Familie Lorrimer aus.«
»Das wäre eine Möglichkeit. Ich lernte nur Elvira kennen. Aber davon weiß ja meine Frau nichts. Sagen Sie ganz einfach, dass Tony Lorrimer spricht.«
Cohen hob den Hörer ab und wählte Ronald Chasens Nummer. Er blickte flüchtig auf die Uhr. Es war kurz nach zwei Uhr. Erst nach dem sechsten Läuten wurde der Hörer abgehoben, und eine schrille Frauenstimme sagte gereizt: »Hallo?«
»Guten Abend«, meldete sich Cohen. »Ich würde gern mit Mr. Chasen sprechen.«
»Wer spricht?«
»Mein Name ist Tony Lorrimer«, sagte Cohen.
Tiefes Atmen war zu hören.
»Mein Mann ist nicht zu Hause«, sagte Carol Chasen.
»Wissen Sie, wo ich ihn erreichen kann?«
»Nein! Das müssen Sie doch wissen, Mr. Lorrimer. Mein Mann war bei Ihnen eingeladen.«
»Das muss ein Irrtum sein«, sagte Cohen rasch.
»Reden Sie keinen Unsinn!«, zischte Carol wütend. »Ich weiß, dass mein Mann bei der Familie Lorrimer eingeladen war. Ich bekam einen Ber … Ist er nicht mehr bei Ihnen?«
»Da muss ein Irrtum vorliegen«, sagte Cohen. »Möglicherweise wurde Ihr Mann von meiner Schwester eingeladen. Aber davon weiß ich nichts. Ich werde mich an sie wenden. Entschuldigen Sie die Störung, Mrs. Chasen.«
»Warten Sie, Mr. Lorr …«
Cohen legte auf. »Ronald Chasen ist bei den Lorrimers. Haben Sie die Nummer?«
Chasen nickte. Cohen wählte die Nummer. Als sich nach dem zwanzigsten Läuten noch immer niemand gemeldet hatte, legte er wieder auf. »Ich will wissen, was mit meinem richtigen Körper geschehen ist«, schrie er hysterisch.
»Das würde ich auch gern wissen«, meinte Cohen, »aber es wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als bis morgen zu warten.«
Für Cohen gab es am nächsten Tag keinen Zweifel mehr: Es stimmte, dass sich Ronald Chasens Geist in Hunters Körper befand. Er hatte sich bis zum Morgengrauen mit Chasen unterhalten. An Schlaf war nicht zu denken gewesen.
Trevor Sullivan traf kurz nach sieben Uhr in der Abraham Road ein. Sie saßen im Wohnzimmer. Cohen hatte Tee aufgebrüht.
»Was schlagen Sie vor, Trevor?«, fragte Cohen, nachdem er dem ehemaligen O.I. Bericht erstattet hatte.
Sullivan schwieg einige Minuten.
»Wir sind nur auf Vermutungen angewiesen«, sagte er leise. »Ich schlage Folgendes vor: Zu keinem Menschen ein Wort davon, dass in Hunters Körper jemand anderes steckt.«
Cohen und Chasen nickten.
»Das Vordringlichste für uns ist im Augenblick, Ronald Chasens wirklichen Körper zu finden. Wir müssen Gewissheit haben … Alles andere wird sich dann finden.«
»Setzen wir uns doch einfach mit meiner Frau in Verbindung«, sagte Chasen.
»Das wollte ich eben vorschlagen«, meinte Sullivan. »Es ist nicht auszuschließen, dass Hunter in Ihrem Körper bei ihr auftaucht.«
»Ich grübelte die ganze Zeit darüber nach, wer ein Interesse an dem Persönlichkeitstausch haben könnte«, sagte Cohen jetzt. »Ob da dieses seltsame Projekt der Lorrimers eine Rolle spielt?«
Sullivan hob die Schultern. »Das wird sich alles herausstellen. Zuerst einmal fahren wir zu Carol Chasen. Wir müssen aber Lilian Bescheid geben, dass wir fortfahren. Gehen Sie bitte zu ihr, Marvin!«
Fünf Minuten später kam Cohen zurück. Sein
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