046 - Die Menschenfressende Bestie
zusammen.
»Da ist jemand. Muala - oder Kono?«
Er blieb sekundenlang wie erstarrt stehen, lauschte in die
Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, und setzte sich dann rasch in
Bewegung. Der trockene, steppenartige Boden knirschte unter den Schritten
seiner Stiefel.
Für die nächsten Sekunden schien auch Jaipo seinen Hader vergessen
zu haben.
Er beteiligte sich an der Suche. Und ausgerechnet er sollte es
auch sein, der mit seiner Suche Erfolg hatte.
Sein Ruf hallte aus dem Busch über die menschenleere Lichtung, die
etwa einen Durchmesser von fünfzig Metern hatte.
Barry Olding warf sich sofort herum. Noch ehe die beiden anderen
Stammesangehörigen den Punkt erreichten, war der junge Amerikaner schon an Ort
und Stelle.
Er bückte sich. Jaipo lag im dichten Gras neben einem Schwarzen,
der wie im Fieber vor sich hinmurmelte, schon nicht mehr richtig bei sich war.
Dieser Mann war weder Muala noch Kono. Es war ein Fremder. Und wie sah er aus?
Er mußte schon mindestens zwei Tage hier liegen. Seine Lippen
waren aufgequollen und aufgeplatzt. Das rechte Bein des Verletzten wies tiefe,
eiternde Wunden auf.
Es blieb nichts anderes zu tun, als dem Unglücklichen Wasser zu
geben. Hier konnte niemand mehr helfen. Der Unglückliche hatte zuviel Blut
verloren.
Er war bereits im Delirium, murmelte sinnloses Zeug vor sich hin
und bekam kaum noch die Augen auf.
Jaipo sprach auf ihn ein. Die wohlvertrauten Worte der
Eingeborenensprache schienen den Fremden noch einmal in die Wirklichkeit zu
reißen. Er versuchte die Augen zu öffnen, schaffte es aber nur spaltbreit.
»Was ist geschehen?« fragte Jaipo.
Seine Augen befanden sich in stetiger Bewegung.
»Hunta - Hunta ... «, wisperte der Gefragte kaum hörbar.
Jaipos Blicke begegneten denen des Weißen.
»Hunta ist ein Dorf«, murmelte er. Dann wandte er sich wieder dem
Schwerverletzten zu. »Wer bist du? Was ist geschehen? Wie kommst du hierher?«
Zu viele Fragen auf einmal. Hätte der Verletzte nicht aufgestöhnt
und sich vor Schmerzen gewunden, Jaipo hätte weitergefragt.
»Hunta - kein Hunta mehr - alle tot... großer Geist... «
Olding begriff nur soviel: In Hunta mußte der Teufel persönlich
aufgetaucht sein und alle Einwohner aufgefressen haben. Er - der sich Nona
nannte - war der einzige, dem es gelang, die Flucht zu ergreifen und in den
Dschungel zu entkommen. Aber das Ungetüm hatte ihn schwer verletzt.
Barry Olding hätte sich gern noch gern persönlich mit dem
Sterbenden unterhalten. Aber dazu kam es nicht mehr. Der schwerverletzte Nona
schloß die Augen für immer.
Jaipos Gesicht war starr wie eine Maske, als er sich jetzt erhob.
Ehe Barry Olding sich versah, erfolgte der Angriff. Während er noch über den phantastischen
Bericht des Fremden nachdachte, stieß Jaipo ihn vor die Brust, entriß ihm
gleichzeitig das Gewehr, das der Amerikaner bei der Untersuchung des Verletzten
gedankenverloren neben sich auf den Boden gelegt hatte.
Olding taumelte zurück, konnte sich nicht mehr fangen und fiel zu
Boden.
»Du bist verrückt, Jaipo«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
»Ich habe es euch gesagt«, wandte der Schwarze sich an seine
beiden Stammesbrüder, ohne sich um den Amerikaner zu kümmern. »Er bringt nur
Unheil über die Menschen in diesem Teil des Landes ... Hunta ist ausgerottet -
und wer ist daran schuld?«
Diese Menschen waren es nicht gewohnt, erst lange nach Erklärungen
zu suchen. Für sie war alles viel unkomplizierter. Während Oldings Gehirn die
Sache wissenschaftlich zu erklären versuchte, hatte Jaipos Gehirn schon die
Dinge erfaßt. Sein vom Geisterglauben erfülltes Bewußtsein sah in der Gestalt
des Weißen den Übeltäter. Das Verschwinden von Muala und Kono war nur eine
Sache. Die Vernichtung des Dorfes durch einen bösen Geist war eine andere.
»Wir haben ihm den Weg gewiesen, ihn begleitet. Wir müssen die Geister
besänftigen, und zwar mit seinem Blut. Sonst ergeht es auch uns wie den
Bewohnern des Dorfes Hunta ... «
»So sieh doch erst mal nach, ob er die Wahrheit gesprochen hat,
Jaipo!« schrie Olding förmlich heraus. »Nona hatte Fieber. Seit zwei Tagen war
er auf der Flucht. Er starb am Blutverlust, am Fieber und Wundbrand.
Ihr dürft nicht alles glauben, was er euch gesagt hat... «
Barry Olding rollte sich auf die Seite, ohne die drei Schwarzen aus
den Augen zu lassen.
Blitzschnell warf er sich herum und sprang auf die Beine. In den
Augen seiner Begleiter las er seinen Tod. Wenn es ihm gelang, im
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