046 - Penelope von der 'Polyantha'
Bahnhof, aber ich bin ihr glücklich entwischt.«
Mr. Orford faltete die Hände und zog die Augenbrauen hoch. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen helfen kann, Miss Pitt. Sie kommen auch gerade zu einer sehr ungünstigen Zeit, denn ich fahre Sonnabend nach New York. Und dieser Mr. John - ich weiß wohl, daß er nicht so heißt -benimmt sich gerade so wie ein Chef in New York. Die Menschen sind eigentlich überall dieselben.«
»Was raten Sie mir, Mr. Orford? Was soll ich tun?«
»Ich würde ihn einfach beim Wort nehmen, Miss Pitt, und mir meine Reise nach Kanada auszahlen lassen. Ich liebe diese offenherzigen Menschen nicht. Hat er denn irgendeine Stellung im öffentlichen Leben?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Seine Frau wohnt bei ihm? Das macht die Sache leichter. Für einen alten Freund tue ich natürlich alles, und einer jungen Dame aus Kanada helfe ich besonders gern. Sie glauben wohl kaum, daß ich auch aus diesem Lande stamme. Möglicherweise will dieser Mensch Sie nur bluffen, und wenn er Ihnen das Geld zur Rückreise nach Montreal oder Toronto nicht gibt, dann kommen Sie nur ruhig wieder hierher. Mein Sekretär wird Ihnen, ohne daß Sie sich weiter zu bemühen brauchen, eine Fahrkarte besorgen. Sie brauchen mir nicht zu danken, das ist nicht nötig.« Er machte eine abwehrende Geste. »Wenn ich nicht gerade von einer sehr wichtigen Sache in Anspruch genommen wäre, würde ich Ihnen mehr helfen können, aber augenblicklich kann ich mir selbst nicht helfen vor Arbeit. Ich fürchte, daß ich nicht einmal alles erledigen kann, bevor ich mit der ›Olympic‹ von Southampton abfahre.«
»Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, daß Sie etwas für mich tun wollen, Mr. Orford«, entgegnete Penelope froh. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll. Ich werde gern wiederkommen und Sie aufsuchen -«
»Sie meinen meinen Bürovorsteher«, murmelte Mr. Orford.
»Wenn Sie mir den Namen Ihres Chefs und Ihre Adresse geben, bin ich eher in der Lage, etwas zu unternehmen. Aber ich sehe, Sie wollen das nicht tun. Vielleicht haben Sie recht. Manche Menschen brauchen ja keine Hilfe, um aus ihren Schwierigkeiten herauszukommen, und ich glaube, Sie gehören zu denen, die sich selbst helfen können.«
Er gab ihr liebenswürdig die Hand. Aber als sie gegangen war, dachte er nicht mehr an sie, denn er war tatsächlich dabei, einen großen Plan durchzuführen, der seine ganze Zeit und alle seine Gedanken in Anspruch nahm. Denn der geringste Irrtum in der Beurteilung der Lage, der kleinste Fehler in der Berechnung der Zeit bedeuteten Leben oder Tod für einen Menschen, an dessen Schicksal er außerordentlich interessiert war.
6
»Aber meine liebe Penelope, Sie haben mich furchtbar erschreckt! Wo waren Sie denn nur?« empfing Cynthia ihre Sekretärin, als sie in das Hotel kam. »Ich dachte schon, Sie seien verlorengegangen. Ich habe auch schon in Borcombe angerufen.«
»Ich ging durch einen der Tunnel hinaus«, sagte Penelope ruhig. »Ich bin doch wirklich kein so kleines Kind, daß ich mich in London verirren könnte. Ich kannte doch Ihr Hotel.«
»Aber was haben Sie denn in der ganzen Zeit gemacht? Der Zug ist doch schon vor einer Stunde angekommen!«
Penelope fiel das Lügen schwer. Um Cynthia zu beruhigen, erzählte sie eine Geschichte, die halb wahr und halb falsch war, und erwähnte auch, daß sie durch den Hyde Park gegangen sei.
»Hoffentlich ist Arthurs Unterredung zufriedenstellend verlaufen«, sagte Cynthia am Abend. Als sie merkte, daß sie laut gedacht hatte, setzte sie schnell hinzu: »Arthur hatte nämlich Besuch.«
Penelope wußte natürlich, warum man sie fortgeschickt hatte.
Als sie am nächsten Morgen nach Stone House zurückkehrten, war Mr. Dorban ernst und in Gedanken versunken. Auch zu ihr war er sehr kurz, als er einige Minuten allein mit ihr im Büro war. Er machte einen sehr zerstreuten Eindruck und schien gar nicht mehr an den Vorfall im Motorboot zu denken, der sich zwischen ihnen abgespielt hatte. Er erwähnte überhaupt nichts davon, und am allerwenigsten rührte er an die Frage, ihrer Rückkehr nach Kanada. Freilich hatte sich Penelope schon endgültig dafür entschieden, diesen entscheidenden Schritt im Augenblick nicht zu tun. Seine Offenherzigkeit hatte sie doch in gewisser Weise beruhigt, so daß sie sich etwas sicherer fühlte.
Sie sah ihn in den nächsten Tagen nur selten. Arthur Dorban hatte lange Konferenzen mit seiner Frau, und man ließ Penelope viel allein. Es war auch
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