0462 - Wo der Orlock haust
wieder und fahren in die Gewölbe. Schließlich wollten wir uns einen Streifen reinziehen.«
»Du hast vielleicht eine Ausdrucksweise, Alex.«
»Die lernt man eben, wenn man nicht gerade im Dorf wohnt. Das soll kein Vorwurf gegen dich sein.«
»Klar, ich verstehe.« Mara faßte die gekippten Luken an zwei verschiedenen Stellen an und drehte sie um die eigene Achse, so daß sie wieder ihren ursprünglichen Platz einnehmen konnten. Es erklang noch ein leises Schnacken, dann waren sie wieder in der Paneelwand eingerastet. »Willst du deinem Vater davon berichten?«
»Wenn er mich fragt.«
»Sonst nicht?«
»Nein, warum? Man kann doch kleine Geheimnisse haben.« Alex lächelte dünn.
»Sicher.«
»Da ist noch der Wein. Das Glas mußt du leertrinken. Habe ich auch getan.«
Mara wollte keine Spielverderberin sein und kippte den Rotwein fast in ihre Kehle. Seine Wirkung merkte sie bereits, denn das Blut stieg ihr in den Kopf.
»Du solltest deine Jacke ausziehen!« schlug Alex vor. »In den Kellern ist es nicht kalt.«
»Ihr habt auch an alles gedacht, wie?«
»Klar.«
Mara trug ältere Jeans und einen grauen Pullover mit einem roten Kreis auf der Brust. Die Hose besaß noch ausgestellte Beine, wie es vor einigen Jahren einmal modern gewesen war.
»Müssen wir noch etwas mitnehmen?« fragte sie.
»Nein, da unten finden wir alles.«
Wenig später standen sie wieder auf dem Gang, wo sich Mara furchtsam umschaute.
»Was hast du?«
»Ich denke noch an den Schatten.«
Alex winkte ab. »Das war eine optische Täuschung. So etwas passiert in alten Schlössern. In den ersten zwei Wochen, die ich hier verbrachte, ist es mir ähnlich ergangen, und ich lebe noch immer.«
»Du hast Humor.«
»Den sollte man auch haben.«
Die Mädchen gingen wieder zum Lift. Als sie einstiegen, lächelte Alexandra und drückte auf den untersten Knopf. Danach blieb sie an die Wand gelehnt stehen.
Mara schaute zur Decke, als könnte jeden Augenblick jemand durch den Schacht kommen. Sie atmete erst auf, als der Lift stoppte und die Tür automatisch aufschwang.
»Geh schon vor.«
Mara setzte ihre Schritte abermals nur zögernd und kam aus dem Staunen nicht heraus, denn sie waren direkt in die Schwimmhalle des Schlosses gefahren.
Vor ihnen befand sich ein sehr großes Schwimmbecken. Das Wasser, glatt wie ein Brett, schimmerte leicht grünlich. Über dem Becken wölbte sich als grauer Steinrundbogen die gewaltige Decke.
An den Rändern war noch genügend Platz, um Ruhebänke und Liegestühle aufzustellen. Zwischen ihnen standen kleine Tische aus Kunststoff.
Mara schüttelte den Kopf, als könnte sie dies alles nicht fassen.
»Das ist unwahrscheinlich. Ich hätte nie gedacht, daß es so etwas überhaupt in diesem Schloß gibt.«
»Nun ja, jetzt kannst du verstehen, daß die Schülerinnen keinen Bock haben, während der Freizeit in den Ort zu gehen.«
»Ja, das ist wahr.« Mara lächelte. »Wenn ich das so sehe, könnte ich direkt ins Wasser springen, aber leider ist das nicht möglich.«
»Wieso nicht?«
»Ich habe keinen Badeanzug.«
Alexandra lachte. »Mädchen, das ist das geringste Problem.«
»Einer von dir wird mir nicht passen.«
»Das brauchst du auch nicht. Wir baden ohne.«
»Wie? Nackt?«
Alex lachte. »Natürlich. Es ist bei uns so Sitte. Meine Güte, wir sind doch unter uns.« Sie strich über Maras Wangen, die sich ein wenig unbehaglich fühlte. »Ich weiß nicht so recht. Das ist mir schon alles ein wenig fremd.«
»Du wirst dich daran gewöhnen. Wollen wir uns jetzt den Streifen ansehen?«
»Meinetwegen.«
Alex nahm Mara wie ein kleines Kind an die Hand und führte sie weiter. Die Fitneßräume lagen neben der Schwimmhalle. Sie mußten eine Glastür öffnen, deren Scheibe aus einem undurchsichtigen Material bestand. Direkt dahinter lag der Raum mit den vier Hometrainern. An der Wand waren Leitern befestigt. Zwei Ruderboote standen auf einem kleinen Steinsockel.
Lampen, die in die Decke integriert waren, spendeten ihr weiches Licht. Der Boden hatte eine weiche Kunststoffschicht bekommen, so daß man auch barfuß laufen konnte.
Im zweiten Raum befanden sich die Hanteln und die entsprechenden Geräte, um andere Gewichte im Liegen stemmen zu können. Dies alles war tatsächlich studiomäßig aufgezogen worden, und Mara zeigte sich noch immer beeindruckt.
»Wo gehen wir denn hin?« fragte sie.
»Durch die Tür.« Alex deutete nach vorn. »Dahinter liegt der Videoraum. Er wird dir auch gefallen.«
Wenig
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