0462 - Wo der Orlock haust
einen kleinen Schluck. Ich muß noch etwas dahaben.«
Mara folgte Alex. Sie hatte einmal in den sauren Apfel gebissen und wollte ihn auch essen.
Alexandra hatte bereits die Tür geöffnet und drückte sie jetzt nach innen. Sie ließ Mara den Vortritt, die wieder staunen konnte und fast jubelte, als sie das alte Himmelbett sah, das Prunkstück des Zimmers. »Und darin schläfst du?« fragte sie, sich auf das Bett setzend und dabei wippend. »Ehrlich?«
»Ja.«
»Sagenhaft, wirklich. Wenn ich da an mein Bett und meine Bude denke. Die ist furchtbar. Bis vor kurzem hat noch mein kleiner Bruder mit mir zusammen in einem Raum geschlafen.«
»Das ist auch nicht für immer.« Alex hatte die Tür wieder geschlossen und die warme Jacke ausgezogen. Unter dem Pullover zeichnete sich deutlich ihr gut proportionierter Körper ab. Mara dagegen war viel schlanker und auch zierlicher.
Alexandra holte aus einem Schrank eine Flasche Rotwein. Sie drehte den Korken heraus und schenkte zwei Wassergläser bis über die Hälfte voll. »Trink, Mara, der Wein ist gut.«
»Danke.«
Alex ließ sich auf einem Stuhl nieder und prostete Mara zu, die ebenfalls einen großen Schluck nahm und sich noch immer umschaute. Sie kam nicht darüber hinweg, in welch einem Zimmer ihre Freundin wohnte. »Das ist wirklich toll. Hast du eine Sahne gehabt.«
»Man gewöhnt sich an alles.«
»Und wo soll ich schlafen?« Mara schaute sich um. Das Glas hielt sie in der Hand und nahm wieder einen Schluck.
»Das Bett ist breit genug.« Alex lachte. »Falls die Nacht nicht zu lang wird und wir überhaupt zum Schlafen kommen.«
»Habt ihr eine so heiße Fete vor?«
»Klar. Das muß einfach sein. Und das Fest im Dorf bot uns den richtigen Aufhänger.«
Mara nickte. »Sogar die Wände sind mit Holz getäfelt. Himmel, was muß das gekostet haben.«
»Omega zahlte alles.«
»Auch das Holz? Es sieht mir so alt aus. Weißt du, davon habe ich sogar Ahnung.« Mara stand auf und ging auf eine Wand zu. Die Paneele zeigten eine Würfelform. Getrennt wurden sie durch etwas vorstehende, fingerdicke Leisten.
Mit den Händen strich Mara über die Paneele hinweg. Ihr schmales Gesicht hatte einen fast andächtigen Ausdruck angenommen.
»Mein lieber Schwan, das sind edle Hölzer.«
»Stimmt.«
»Mein Traum war es immer, ein kleines Schloß zu besitzen. Schon als Kind habe ich immer vor dem Haus gestanden und hier hoch geschaut. Leider sind meine Eltern keine Millionäre, sie…« Ein leiser Ruf unterbrach ihre Rede.
»Was hast du denn jetzt schon wieder?« Alex stand auf.
»Hier ist ein Loch!«
»Wie?« Alexandra kam näher. Sie sah noch nichts, weil der Körper ihrer Freundin ihr die Sicht versperrte. Erst als Mara zur Seite trat, erkannte auch sie die viereckige dunkle Öffnung. Sie bildete einen Ausschnitt inmitten der Paneele.
»Hast du das nicht gewußt?« fragte Mara leise.
»Nein.«
Mara streckte den Arm aus und ihre Hand in die Öffnung hinein.
Sie bewegte die Figur und bekam eine Gänsehaut. »Die Luft ist so kühl, als käme sie aus der Gruft.«
Alex drückte die Freundin zur Seite und beugte ihren Kopf vor.
»Sei vorsichtig.«
»Klar.« Die Stimme klang verändert, als würde Alex in ein Rohr sprechen. Dumpf und gleichzeitig leicht hallend. »Das ist ein regelrechter Schacht«, sagte sie.
»Oder ein Geheimgang.«
»Nein, die sind doch waagerecht.«
»Ob es die hier auch gibt?«
Alex zog sich wieder zurück. »Bestimmt.«
»Wenn ja, ist das ein richtiges Rätselschloß. Ich kann mir vorstellen, daß früher der Orlock wie ein mordendes Gespenst durch die Geheimgänge und Schächte gegeistert ist.«
Die Tochter des Schulungsleiters ging auf diese Bemerkung nicht ein. Sie wandte sich einem anderen Thema zu. »Wie hast du die Luke überhaupt aufbekommen?«
»Reiner Zufall. Ich drückte einfach dagegen. Da hörte ich ein leises Knacken, und schon war es geschehen. So einfach.«
Alex lachte. »Wenn ich das den anderen erzähle, ist etwas los. Dann werden wir uns sicherlich auf den Weg machen und das Schloß genauer untersuchen. Einfach super.«
»Ich hätte Angst.«
»Ich allein auch. Aber wenn man zu mehreren ist, kann einem ja nichts passieren.«
»Nein, wo der Orlock tot ist.«
Alexandra drehte sich scharf um. »Wieso? Was hast du eigentlich? Das klang so komisch, als würdest du nicht daran glauben, daß es den Orlock wirklich nicht mehr gibt.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
Alex winkte ab. »Laß es sein. Wir verschließen die Luke
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