0462 - Wo der Orlock haust
wieso?«
»Liegt sie bereits im Bett?« fragte Suko.
Dalton schaute auf die Uhr. »Nicht um diese Zeit. Nur verstehe ich nicht, was Sie von Alexandra wollen?«
»Bitte, seien Sie kooperativ und geben Sie ihr Bescheid. Es ist ja genügend Platz hier unten.«
Kenneth Dalton holte tief Luft, hob dann die Schultern und stemmte sich aus dem Sessel. »Eigentlich tue ich das nur unter Protest, aber ich möchte mir die Polizei nicht zum Feind machen.«
»Ist auch besser«, sagte Suko.
Dalton ging zum Telefon. Erklärend fügte er hinzu, daß jedes Zimmer mit einem Hausanschluß versehen war. Er tippte zwei Nummern und wartete ab. Da es still in der Halle war, hörten wir das Geräusch, als der Ruf durchging.
Niemand hob ab.
»Sie ist nicht da«, sagte Dalton. »Tut mir leid.«
»Versuchen Sie es woanders. Uns hat sie erzählt, daß sie zum Schloß gehen wollte.«
»Junge Mädchen reden viel.«
»Hat sie eine Freundin?«
»Ich versuche es woanders.«
Auch jetzt wurde nicht abgehoben. Auch bei der dritten und vierten Nummer nicht. Dalton schüttelte den Kopf, als er zu uns zurückkam. Auf seiner Stirn lag ein feiner Schweißfilm. »Das verstehe ich nicht. Keines der Mädchen scheint in seinem Zimmer zu sein.«
»Wo könnten sie denn stecken?«
»Vielleicht in der Schwimmhalle.«
»Die gibt es hier?« fragte Suko.
»Ja, in den alten Gewölben. Die Firma hat hier einiges getan und bauliche Veränderungen vorgenommen. Dort befinden sich auch die anderen Sport- und Fitneßräume.«
Ich war schon aufgestanden und überlegte, ob ich den Mantel überstreifen sollte, entschied mich dagegen und ließ ihn über der Rückenlehne hängen.
»Wollen Sie jetzt gehen?«
»Nein, Mr. Dalton. Uns interessieren nun mal alte Schlösser. Besonders dann, wenn Sie jemand hat umbauen lassen. Ich wäre dafür, wenn Sie uns die Räume mal zeigen.«
Er sah so aus, als wollte er ablehnen. Schließlich sprang er über seinen eigenen Schatten und nickte. »Kommen Sie mit, meine Herren, ich weiß nur nicht, was Sie sich davon versprechen.«
»Bestimmt keine Beschäftigungstherapie, Mr. Dalton«, erwiderte ich.
***
Im Schatten der Schloßmauer blieb die dunkelhaarige Mara stehen und hob unbehaglich die Schultern. »Ich weiß nicht so recht, Alexandra, aber ich möchte doch nicht.«
Die Angesprochene blieb stehen und schaufelte ihr Haar zurück, das der Wind ihr in die Stirn geweht hatte. »Willst du jetzt kneifen?«
»Nicht kneifen, aber…«
»Kein Aber, Mara. Es war alles so geplant. Wir haben lange genug darüber gesprochen. Du warst selbst dafür, mal im Schloß zu übernachten. Es ist wirklich toll hier.«
»Das glaube ich ja, aber…«
»Um Mitternacht schwimmen zu gehen, ist echt stark.« Alexandra lächelte verschwörerisch. »Ich habe den anderen auch Bescheid gegeben. Wir machen eine riesige Fete in der Schwimmhalle. Weshalb soll nur im Dorf gefeiert werden? In der Halle sind wir unter uns.«
»Und der Orlock?«
Alex, wie sie genannt wurde, hob den Arm und vollführte mit der rechten Hand eine wegwerfende Bewegung über ihre Schulter.
»Was geht uns der Orlock an?«
»Er hat schließlich hier gehaust.«
»Das war früher.«
Mara nickte. »Ja, schon, aber ich habe das Gefühl, daß er gar nicht richtig tot ist.«
»So alt kann keiner werden.«
»Und das Blut aus der Figur?«
Alex hob die Schultern. »Darüber habe ich nachgedacht. Vielleicht hat sich der Junge selbst in den Finger geschnitten und war dann zu feige, es zuzugeben. Glaub mir, es gibt keine andere Möglichkeit. Ich schlage dir einen Kompromiß vor. Wenn du nicht willst, kannst du ja wieder gehen. Wir treffen uns sowieso erst später. Zuvor können wir in den Videoraum gehen und uns einen Streifen reinziehen. Einverstanden?«
Mara überlegte. Alex faßte sie an der Schulter. »Sei kein Frosch, Mädchen. Es ist nichts dabei. Du brauchst auch nicht allein ins Dorf zurückzugehen, wenn es dir nicht gefällt. Dann begleite ich dich und verzichte auf die Party.«
»Sie ist dir doch so wichtig.«
»Du bist mir eben noch wichtiger, Mara.«
»Das verstehe ich nicht. Weshalb bin ich dir so wichtig? Es gibt zahlreiche Mädchen hier im Schloß. Du wirst doch unter ihnen eine Freundin finden können.«
»Das schon, aber da gibt es einen Unterschied. Sie bleiben nur vier Wochen, dann ist die Ausbildung beendet. Ich wohne in diesem Haus. Soll ich mich immer wieder an neue Gesichter gewöhnen?«
»Stimmt auch. Sag mal, werden eigentlich keine Jungen in die
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