0462 - Wo der Orlock haust
Reim.
»Dreht euch nicht um, denn der Orlock geht herum…«
Die letzten Worte hallten sogar noch nach. Obwohl die Mädchen inzwischen wußten, wer zu ihnen gesprochen hatte, waren sie keinesfalls beruhigt. Sie zitterten nur noch stärker. Alexandra drückte mit einer verlegen und ängstlich wirkenden Geste eine Haarsträhne zurück. Mara schaute sich furchtsam um.
Beide sahen den Orlock nicht.
»Ein Toter!« hauchte Mara. »Mein Gott, da hat ein Toter zu uns gesprochen…«
Alex gab keine Antwort. Im Prinzip hatte Mara recht, obwohl sie es sich nicht erklären konnte. Vielleicht trieb auch jemand böse Scherze mit ihnen.
Sie warteten, da sie nicht den Mut fanden, den Fitneßraum zu verlassen.
Die Worte wiederholten sich nicht, und so klang die erste Angst der Mädchen allmählich ab.
»Ich will nicht länger hierbleiben!« sagte Mara mit rauher Stimme.
»Laß uns gehen.«
Alexandra hatte nichts dagegen. Bis zur Tür waren es nur wenige Schritte. Danach lag der Pool, wo sich auch der Lift befand. Die große Halle mit der gewölbeartigen Decke war leer. Gespenstisch wirkte die glatte Wasserfläche. Die Tische und Liegestühle an den Rändern des Beckens kamen ihnen vor wie skurrile Figuren.
Nichts hatte sich verändert. Sie fanden die gleiche Atmosphäre vor wie bei ihrer Ankunft. Und doch war etwas anders geworden, das spürten beide.
Sie schauten sich an. »Was ist das nur?« hauchte Mara. Die Gänsehaut auf ihrem Gesicht wollte einfach nicht weichen.
»Ich weiß es.« Alexandra deutete auf die Wasserfläche. »Sie… sie bewegt sich stärker.«
»Und weshalb?«
Alex ging vor. Sie blieb dicht am Rand des Schwimmbeckens stehen und schaute nach vorn. Sie sagte nichts, aber ihre Augen weiteten sich plötzlich.
Auch Mara, die ihr gefolgt war, konnte erkennen, was die Freundin so aus der Fassung gebracht hatte.
Aus der Tiefe des Beckens stieg etwas allmählich an die Oberfläche.
Eine Gestalt, ein Körper…
Auf das Wasser fiel das Licht der drei Lampen. Man sah Schlieren durch das Wasser ziehen.
Alexandra wankte zurück. Mara stützte sie ab, sonst hätte sie die Freundin noch umgerissen. »Das ist… das ist … mein Gott, das ist Miß Hastings …«
***
Ich sah ein Phantom!
Es war unheimlich, es war schnell, es war gnadenlos und bewegte sich mit einer geschmeidigen Hektik. Seinen rechten Arm hatte die Gestalt erhoben. In ihrer Hand blinkte etwas, das im nächsten Augenblick auf mich zuflog und dicht an Kenneth Dalton vorbeiwischte.
Es hätte mich in Höhe der Kehle erwischt, aber ich war schneller und zuckte zur Seite.
Trotzdem biß es zu.
Jedenfalls hatte ich das Gefühl, als es gegen meine Wange schlug und dort die Haut aufriß. Einen ziemlich tiefen Schnitt hinterließ die Waffe. Aus der Wunde strömte sofort das Blut und rann an meinem Hals entlang nach unten.
Der Schmerz war böse, aber er riß mich nicht um. Ich wollte mich dem Schatten stellen, griff auch zur Waffe, als mich die Kanonenkugel mitten in den Leib traf.
Jedenfalls hatte ich den Eindruck, und dieser Tritt oder was immer es war, zwang mich in die Knie. Sogar mein Blick wurde getrübt. Ich sank auf den Teppich, mit einer Hand suchte ich nach Halt, faßte gegen das Bett, rutschte dort aber ab, während weiterhin der Schmerz in meinem Körper wühlte und den im Gesicht noch übertraf.
Wo war Sukö, verdammt? Weshalb kam er nicht, um mir beizustehen? Ich drehte zwar den Kopf in Richtung Tür, konnte aber kaum etwas erkennen.
Und doch hatte Suko bemerkt, was geschehen war. Leider um einige Sekunden zu spät, weil er sich noch immer mit dem Schloß beschäftigte. Als er sich herumdrehte, hatte die Gestalt das Rasiermesser schon geworfen, und der Inspektor sah, wie sein Freund in die Knie brach.
Er sprang hin.
Es war einfach zu finster im Zimmer, und Suko besaß auch nicht die Augen einer Katze.
Daß er zwei Gegner vor sich hatte, daran konnte er nicht denken.
Er spürte es nur schmerzhaft, als Dalton herumwirbelte und einen Moment später etwas Dunkles aus einer gewissen Höhe auf Sukos Schädel zuraste. Der Gegenstand sah aus wie eine Rotweinflasche.
Sie traf genau.
Zwar schmetterte sie seitlich gegen den Kopf, rutschte noch über das Ohr, hämmerte dann auf die Schulter, so daß Suko das Gefühl bekam, die linke Seite wäre gelähmt. Als er sich noch mit der linken Hand abstützten wollte, knickte sein Arm ein, und er fiel zu Boden.
Der Chinese war verdammt hart im Nehmen. Er wurde auch jetzt nicht bewußtlos, obwohl
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