0462 - Wo der Orlock haust
sich in seinem Kopf ein Räderwerk auszutoben schien.
Schatten wallten heran, trieben ihn hoch, jedenfalls hatte er manchmal den Eindruck zu schweben, und daß es ihm gelang, sich auf die Knie zu stemmen, kam ihm selbst wie ein Wunder vor.
Er hörte ein wütendes Ächzen. Neben ihm stand jemand, der sich jetzt drehte und mit dem rechten Fuß ausholte. Der Tritt sollte Sukos Gesicht treffen, aber der Chinese war trotz seiner Behinderung schneller. Er warf sich nach vorn und in die Beine hinein. Der Treter kippte zurück, er fluchte. Suko hörte Daltons Stimme, vernahm noch ein Poltern, dann war es wieder still.
Und die Stille blieb…
Auch mir fiel sie auf. Ich hörte nur mein Keuchen. In der Kehle saß ein Kloß, der immer dicker wurde, so daß ich daran dachte, mich zu übergeben. Dieser verdammte Tritt in den Leib hatte mich fertiggemacht, und auch das Brennen im Gesicht blieb.
Ich rollte mich auf den Rücken und blieb möglichst ruhig liegen, nur die keuchenden Atemzüge quälten sich über meine Lippen.
Über mir sah ich die graue Decke. Manchmal schien sie mich höhnisch anzugrinsen, aber sie sprach nicht, es war Suko, der mich anredete.
»Bist du okay, John?«
»So ungefähr«, erwiderte ich mit der gleichen, gequält klingenden Stimme.
»Mich hat er erwischt.«
»Ja, es waren zwei.«
»Dalton, dieser Hundesohn. Und wer noch?«
Ich hustete und schluckte danach. »Kannst du dir das nicht denken?«
»Nein, ich sah nichts.«
»Er kam aus dem Schrank, dieser Bastard oder aus der Wand, glaube ich. Es war furchtbar. Der Typ war so schnell, daß ich einfach nicht mehr reagieren konnte. Er hatte ein Messer und mich erwischt. Dann rammte mir jemand ein Knie in den Magen…«
»Und jetzt sind sie weg!«
»Zum Glück!« keuchte ich. »Hätten sie bessere Nerven besessen, wären wir vielleicht nicht mehr am Leben…«
Ich redete nicht mehr, weil es mich einfach zu sehr anstrengte. So versuchte ich, mich wieder zu erholen. Ich brauchte mich nicht zu übergeben, aber das Gefühl blieb auch weiterhin und verstärkte sich noch, als ich die ersten Versuche unternahm, mich wieder in die Senkrechte zu begeben. Stehen konnte ich noch nicht, hockte mich auf die Bettkante und preßte beide Hände gegen die getroffene Stelle.
Suko lag noch am Boden. Von dort klang auch sein Kommentar auf. »Verdammt, John, so sehr hat man uns noch lange nicht mehr eingemacht – oder?«
»Du hast recht.«
Ich holte mit der linken Hand ein Taschentuch hervor und preßte es gegen die Wunde an meiner Wange. Dort hatte die geschleuderte Klinge schräg hineingeschnitten. Ich hoffte, daß die Wunde allmählich ausblutete. Wer mich jetzt sah, würde sich erschrecken.
Auch Suko stand langsam auf. Er hielt sich den Kopf und wankte zu einem Stuhl. Schwer fiel er darauf nieder. »Da ist man bewaffnet, hat sich schon mit den Höllentypen herumgeschlagen und läßt sich von einem Schulungsleiter überraschen.«
»Mich hat er auch erwischt. Aber hast du den anderen gesehen?«
»Nur undeutlich.«
»Er war wie ein Schatten«, sagte ich. »Plötzlich stand er im Zimmer. Das mit der Tür war eine hervorragende Ablenkung. Er war so schnell, das Messer flog, ich konnte nicht mehr ausweichen…«
»Wer kann es denn gewesen sein?« Suko stellte die Frage in einem Tonfall, der mir sagte, daß er die Antwort sicherlich wußte.
»Orlock!«
»Meine ich auch, John. Demnach lebt er.«
»Wahrscheinlich ist er nie tot gewesen. Du brauchst doch nur an das leere Grab zu denken.«
»Und was machen wir?«
»Holen ihn uns«, erwiderte ich gepreßt.
»Toll, wie denn? Stell dir mal vor, welche Bedingungen der Orlock hier antrifft. Besser kann es für ihn nicht laufen. Der hat sich früher die Mädchen geholt und wird sie auch heute noch killen wollen. Er braucht sie nicht einmal selbst zu suchen. Sie befinden sich bereits im Schloß. Nicht alle sind ins Wochenende gefahren.«
»Deshalb sollten wir uns auch beeilen.«
Da war der Wunsch mehr der Vater des Gedankens, denn als ich mich erhob, wurde mir wieder übel. Mein Magen ging auf Wanderschaft. Es war besser, wenn ich mich setzte. Auch Suko blieb hocken.
Er fragte: »Hast du gesehen, woher der Orlock gekommen ist?«
»Nicht genau. Mich warnte nur ein kühler Luftzug, der über meinen Nacken strich.«
»Das Fenster ist geschlossen.«
»Ja.«
Suko wechselte das Thema. »Ich habe vorhin vergessen, dir etwas zu sagen, Alter. Es war nicht meine Unfähigkeit, daß ich die Tür nicht aufbekam. Da hatte
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