0463 - Der Leopardenmann
Anblick eines Toten gefälligst in tagelange hysterische Schreikrämpfe auszubrechen hatte und danach für einige Wochen nicht mehr ganz zurechnungsfähig war.
Er schickte ihr tatsächlich einen seiner Beamten mit, der sie nicht selbst ans Lenkrad des Wagens ließ!
»Wer war eigentlich der Mann, der ermordet worden ist?« erkundigte sie sich, als der Beamte sie auch noch bis zu ihrer Zimmertür geleitete.
»Motumo Sassa«, erwiderte der Polizist und glaubte damit alles gesagt zu haben. So, wie es klang, mußte jeder einigermaßen gebildete Mensch diesen Motumo Sassa kennen. Aber ehe Tiffany dem Mann ihre Bildungslücke eingestehen und ihn bitten konnte, sie mit Informationen zu füllen, hatte er sich bereits verabschiedet und war auf und davon. Sein Auftrag, sich um Miß Rogers' Wohlergehen zu kümmern, endete an ihrer Zimmertür.
Sie dachte nicht daran, sich weisungsgemäß schon ins Bett zu begeben und zu schlafen. Sie begab sich in die Hotelbar. Ihr Assistent, Will Shackleton, war auch noch da. Zu ihrem Erstaunen aber nicht in den Armen käuflicher Mädchen, die harte US-Dollars gegen ein paar Minuten Vergnügen und Geschlechtskrankheiten eintauschten, sondern in einer Pokerrunde. Ihres Wissens war dieses Glücksspiel hier verboten, aber anscheinend galt auch in Zaire der Grundsatz: Wo kein Kläger ist, ist auch kein Richter.
Shackleton hatte schon einen hübschen Stapel Geld vor sich aufgebaut. Er registrierte Tiffanys Auftauchen mit einem grüßenden Kopfnicken und widmete sich dann wieder der dankbaren Aufgabe, seine Mitspieler auszunehmen wie Mastgänse.
Tiffany widmete sich dem Barkeeper, der auf den Allerweltsnamen Jim hörte. Er rollte mit den weit aufgerissenen Augen, wie es nur Neger fertigbringen, als sie harten Brandy orderte, aber gleich einen dreistöckigen. Sie trank das Zeug wie Wasser und verlangte dann die ganze Flasche. Sie hatte das Gefühl, sich innerlich reinigen zu müssen. Sie wollte den grauenhaften Anblick des furchtbar zugerichteten Toten vergessen, und sie wollte in dieser Nacht auch nicht von aufrecht gehenden Leoparden träumen.
An seinem Pokertisch bekam Shackleton, ihr Assistent und Leibwächter, die mutige Bestellung mit und hob die Brauen. Aber er griff nicht ein. Schließlich hatte sie sich jegliche Einmischung in ihr Privatleben energisch verbeten, und wenn sie morgen unbedingt einen Kater haben wollte, bitte! Das war nicht sein Problem!
An der Bar füllte Tiffany ihr Brandy-Glas selbst nach. »Jim«, wandte sie sich an den Keeper, »kennen Sie einen gewissen Motumo Sassa? Hoffentlich habe ich den Namen jetzt auch richtig ausgesprochen!«
Jim lachte. »Sassa? Den kennt doch jeder hier«, bestätigte er ihre Vermutung, daß es sich um ein Stück Allgemeinbildung handeln mußte. »Sie nicht, Lady? Ach, Sie sind ja nicht von hier. Sie kommen aus Amerika, nicht? Schönes Land. Will ich auch mal hin. Da verdient man doch viel mehr als hier, wo sie einem zum Sterben zuviel und zum Leben zu wenig bezahlen.«
Tiffany hätte ihm da was anderes erzählen können. Von Massenarbeitslosigkeit, von Armut, von der Benachteilung der schwarzen Rasse, von miserabler Sozialversorgung und Drogen, Mord und Totschlag. Aber vermutlich würde er ohnehin nie aus Likasi hinauskommen. Warum also sollte sie ihm seine Träume zerstören? Schließlich sah er in ihr eine überaus gutverdienende Angehörige der Oberschicht vor sich, die auch noch seine Hautfarbe besaß.
»Wer war denn dieser Sassa nun?«
Fast hätte sie sich wegen des war auf die Lippen gebissen, aber Jim merkte nicht, daß sie von einem Toten sprach. »Sassa ist Großwildjäger. Einer der besten. Er ist derjenige, der hier vor sieben Jahren den letzten Leoparden abgeschossen hat. Möchten Sie ihn kennenlernen, Lady?«
»Nein, danke«, murmelte sie. »Ich - ich hatte schon das Vergnügen…«
***
Amerikanischer Großindustrieller spurlos verschwunden - Hat Robert Tendyke seinen Hang zu lebensgefährlichen Abenteuern diesmal mit dem Leben bezahlt?
Das waren Headline und Unterzeile des Aufmachers, mit dem eine große Zeitung Kunden zu fesseln versucht hatte. Immerhin, dachte Zamorra, scheinen sie sich in der Redaktion ihrer Sache nicht hunderteinprozentig sicher zu sein, sonst hätten sie hinter das verschwunden ein Ausrufzeichen gesetzt!
Es war eine amerikanische Zeitung; ein Revolverblatt mit dem Thema Herz, Schmerz, Geldadel, Blutadel und ein wenig Sex-Skandal. Aber gerade diesen Zeitungen ließen sich hin und wieder Fälle
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