0465 - Das Biest
soll? Erzählt doch einfach!«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, sagte Uschi schulterzuckend. »Wir haben diese Bilder gesehen, das ist alles. Wir sahen sie und wußten dabei, daß es sich um Shedo handelt. Danach war Schluß.«
»Danach sind wir beide gleichzeitig aufgewacht«, fügte Monica hinzu. »Und haben uns hingesetzt und gezeichnet, was wir gesehen haben.«
»Hm«, machte Tendyke und nahm wieder einen Schluck Kaffee. »Sollte es eine Antwort von Julian sein?«
Monica sprang auf. Überrascht blickten die Telepathinnen den Geisterseher an. »Eine Antwort von Julian?« stieß Monica hervor. »Wie meinst du das?« fragte Uschi.
Er zuckte mit den Schultern. »Es ist nur so ein Gedanke. Ein sehr hoffnungsvoller Gedanke allerdings, denn er könnte bedeuten, daß Julian unseren gestrigen telepathischen Ruf doch vernommen hat und jetzt reagiert - wenn auch auf andere Weise.«
»Das verstehen wir nicht«, sagte Uschi. »Was willst du damit sagen, Rob?«
Darauf, seine Gedanken zu lesen und ihre Neugierde auf diese Weise zu stillen, hatten sie schon immer verzichtet. Sie hätten es als einen groben Vertrauensbruch empfunden, da Rob Tendyke seinerseits nicht in der Lage war, ihre Gedanken zu lesen. Außerdem respektierten sie grundsätzlich die Privatsphäre und die kleinen Geheimnisse aller anderen Menschen. Wenn diese freiwillig etwas von sich preisgaben, war das in Ordnung. Aber ihre Gedanken zu belauschen, ließ der Ehrenkodex nicht zu. Die Zwillinge wollten sich allerdings auch nicht mit den kleinen und großen Problemen belasten, die jeder tief in seinem Unterbewußtsein vergraben mit sich schleppt und vor anderen zu verbergen versucht. Sie hatten genug mit sich selbst zu tun.
Deshalb waren sie auf das angewiesen, was Tendyke ihnen per Stimme mitteilte.
»Wir wissen, daß Julian mit Träumen hantiert wie andere Leute mit Messer und Gabel«, sagte Tendyke. »Er kann durch die Kraft seiner Träume Welten erschaffen, die so lange absolut real sind, wie er träumt. Andere Menschen können diese Traumwelten betreten und darin agieren, und wiederum können Traumwesen diese Welten verlassen und zu uns kommen, praktisch als Botschafter des Träumers. Was ich damit sagen will, ist schlicht und ergreifend: Ich halte es für möglich, daß Julian euch diesen Traum geschickt hat. Vielleicht nur, um mitzuteilen, daß er noch existiert und daß es ihm gut geht. Diese bizarren Gruselgestalten würden dabei durchaus zu seiner manchmal recht morbiden Fantasie passen.«
»Seltsam«, sagte Monica. »Gerade so haben wir es nicht empfunden. Es ist zwar was dran an deiner Theorie, aber irgend etwas fehlte. Eine Art imaginärer Stempel, ein Erkennungszeichen, ein Persönlichkeitsabdruck Julians.«
»Es könnte sein, daß sich seine Persönlichkeit und damit sein Muster verändert hat, während er Fürst der Finsternis war und unter Dämonen lebte. Vielleicht mußte er sich anpassen, um überleben zu können. Wenn du in der Kälte wohnst, brauchst du eine Fettschicht oder ein dickes Fell.«
»Es ist möglich«, sagte Monica nachdenklich. »Vielleicht sollten wir noch einmal versuchen, in Kontakt zu kommen. Wir könnten dieses Bild zurückprojizieren und ihm damit antworten.«
Tendyke zuckte mit den Schultern. »Versuchen wir es einfach«, sagte er. »Aber ich denke, danach werden wir jeder ein ziemlich großes Frühstücks-Steak benötigen, um die verbrauchten Energien wieder zurückzuholen. Und das sollte einer von - uns schon jetzt bestellen…«
Die Zwillinge sahen erst sich und dann Tendyke an - und nickten.
»Was? Ich soll los?« protestierte er.
»Sicher. Wir müßten uns erst anziehen.«
»Ja glaubt ihr denn, ich etwa nicht?« knurrte der Abenteurer. »Verflixtes Weibervolk, faul bis dorthinaus…«
»Kompliment ungebraucht zurück«, lachte Uschi ihn an. »Nun steig schon in Hemd und Hose und marschiere los. Können wir was dafür, daß es in dieser Absteige kein Zimmertelefon gibt?«
Zähneknirschend fügte sich Tendyke in sein trauriges Botenjungen-Schicksal. Aber mit seinen Gedanken war er schon bei Julian…
***
Das Biest fühlte eine von innen kommende Veränderung. Die innere Kraft der Göttin Shedo war auf den Käfer übergegangen, aber er hatte Schwierigkeiten, diese Kraft zu verarbeiten. Das Bewußtsein Shedos war stark, und dadurch, daß die Benutzung des Dhyarra-Kristalls ihr den klaren Verstand genommen hatte, war diese Stärke impulsiv vektorisiert. Der Riesenkäfer verstand zwar teilweise
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