0465 - Heute Engel - morgen Hexe
nicht eingedeckt. Trinkwasser dagegen befand sich an Bord.
Die See nahm uns auf.
Wellen rollten gegen das Boot, hoben es mal hoch, drückten es wieder nieder, und dieser Rhythmus änderte sich kaum, weil auch die Windrichtung nicht wechselte.
Tot war das Meer nicht. Wir sahen des öfteren Fischerboote, die sich durch die Wellen wühlten. Die meisten Menschen auf der Insel lebten vom Fischfang.
Nebel sahen wir keinen. Nur hin und wieder die langen Dunststreifen, die über dem Wasser lagen. Wir passierten einige kleine Inseln. Ich schaute auf der Karte nach und konnte Suko sogar die Namen nennen.
»Mir wäre die Nebelinsel lieber«, sagte er.
»Keine Sorge, da kommen wir auch noch hin.«
Noch waren wir unterwegs, und die große Einsamkeit der See schluckte uns. Fischkutter sahen wir keine.
Wir hielten Kurs Nordost. Das Festland war nicht zu sehen. Dafür die gewaltigen grauen Wolken, die den Himmel bedeckten. Ich hatte ein Fernglas gefunden, hielt es hin und wieder gegen meine Augen und suchte das Meer bis zum Horizont hin ab.
Nichts war zu sehen.
Nur Wellen und Himmel. Selbst einen Nebelstreifen entdeckte ich nicht.
Wir fuhren nur mit halber Kraft, und die Einsamkeit des Meeres umhüllte uns.
So vergingen fast zwei Stunden. Ich wollte Suko ablösen, er aber schüttelte den Kopf. »Nein, das erledige ich schon. Ich fahre eben zu gern Boot. Ist mal was anderes, als hinter dem Steuer eines Wagens zu hocken.«
»Wie du willst!«
Wenige Minuten später entdeckte ich den hellen, weißgrauen Fleck, der über dem Wasser schwamm.
War das die Insel?
Ich gab Suko das Glas. Er blickte hindurch, legte es weg und nickte sehr langsam. »Ich glaube, John, dass wir uns dem Ziel nähern. Außerdem sind wir die einzigen weit und breit.«
Da hatte er nicht gelogen. Kein Fischer verirrte sich in diese einsame Gegend, wo nur die düsteren Wolken unsere einsamen Begleiter waren.
Suko steigerte die Geschwindigkeit. Der Bug hob sich aus dem Wasser.
Wellen liefen gegen ihn, und Sprühwasser regnete auf das Deck und gegen die Scheibe. Suko schaltete die Wischer ein.
Ich lehnte an der Reling am Bug des Schiffes und schaute über das Wasser. Von der Insel war noch nichts zu erkennen. Wie ein starres Gebilde lag die Nebelbank auf dem Wasser und nahm uns die Sicht auf das darin versteckte Eiland.
Die Insel war alt und trotzdem neu. Ein Seebeben, wahrscheinlich auf magische Einflüsse zurückzuführen, hatte sie aus der Tiefe des Meeres geholt.
Die Menschen kannten die Legende, die sich um die Insel wob. Der Wirt hatte uns allerdings nicht sagen können, wie gefährlich die direkte Anfahrt sein würde.
Wir mussten mit Klippen und Strudeln rechnen.
Wie auch auf der übrigen Strecke sah das Wasser graugrün aus. Schaumig quirlte es an den beiden Bordseiten entlang, und plötzlich entdeckten wir etwas anderes.
Es war ein Boot, das auf den Wellen trieb.
Gesteuert wurde es nicht. Sein Auf und Ab zeigte uns, dass es dem Spiel der Wellen ausgeliefert war.
»Ich halte drauf zu«, sagte Suko, bevor ich diesen Vorschlag machen konnte.
Mit Hilfe des Glases holte ich das Boot näher heran. Fast zum Greifen nahe sah ich es jetzt. Es war kein Fischkutter, sondern ein Boot, wie wir es fuhren. Möglicherweise stammte es sogar vom selben Verleiher.
Suko hatte den gleichen Gedanken verfolgt. »Da werden die beiden mit auf die Insel gefahren sein.«
»Und für eine Rückkehr brauchen sie es nicht mehr?«
Er hob die Schultern. »Das werden wir sehen, wenn wir näher herangefahren sind.«
Es dauerte noch eine Weile, bis wir das Boot erreicht hatten und längsseits gehen konnten. Das große Problem lag noch vor uns. Es ist nicht einfach, mitten auf dem Meer von einem Boot in ein anderes zu steigen. Das erfordert Übung, die wir beide leider nicht hatten.
»Ich versuche es«, sagte ich zu Suko und kletterte schon über die Reling an der Steuerbordseite. Mit einer Hand hielt ich mich noch an der Reling fest und wartete, bis wir uns den anderem Boot genähert hatten.
Suko steuerte sehr sanft, er tat es fast wie ein Fachmann.
Als sich beide Bootskörper berührten, sprang ich schräg nach unten, denn unser Boot ragte höher auf.
Ich konnte nicht über die andere Reling jumpen, prallte gegen sie, klammerte mich fest, während Wasser meine Beine umspülte.
Der Rest war ein Kinderspiel.
Aufatmend stand ich an Bord und winkte Suko zu, der in unmittelbarer Nähe blieb.
Wir waren nicht mehr allzu weit von der Nebelinsel entfernt. Aus dem
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