0467 - Der Nebelmörder
in das Haus. Ich will den Streifen dort beginnen lassen. Eine Frau, die einsam dasitzt und an den Killer denkt. Ich stelle mir das so vor: Auf der Leinwand ist dein Gesicht zu sehen und dahinter, neblig und verschwommen, die Mordszenen aus dem ersten Teil. Ist doch ein Gag, nicht?«
Lorraine nickte.
»Mehr sagst du nicht?«
»Nein, Dino.«
»Ich bringe dich hin.« Er nahm ihren Arm und führte sie durch die neblige Geisterstadt.
Lorraine setzte wie in Trance ein Bein vor das andere. Sie hatte ihr Denken ausgeschaltet und kam sich vor wie in einer anderen Welt, wo es nur Nebel, Dunst und schreckliche graue Monster gab, die sich vor ihren Augen bewegten, immer neue Figuren bildeten, die schließlich auseinandertrieben.
Dino Faretti berichtete vom Inhalt des zweiten Teils. Lorraine hörte kaum hin. Ab und zu tauchte ein anderer Schauspieler aus der dunstigen Brühe auf. Faretti hatte es tatsächlich geschafft und seine Leute überall verteilt.
»Du bist übrigens die letzte Person, die ich zu ihrem Platz bringe«, sagte der Regisseur. »Dabei bist du eigentlich auch das wichtigste Glied in der Kette.«
»So schlimm wird es wohl nicht sein.«
»Außerdem werde ich deine Gage verdoppeln.«
»So?«
»Mehr sagst du nicht?«
»Nein, ich mag den Streifen nicht.«
»Aber du drehst ihn doch.«
Lorraine blieb stehen. »Ja, den werde ich noch durchziehen, aber keinen weiteren Horrorfilm mehr.«
»Nein, das brauchst du auch nicht. Keine Sorge. Es wäre aber dumm von mir, jetzt nicht eine Fortsetzung zu drehen. Versteh doch, Mädchen. Man muss die Chancen wahrnehmen.«
»Ja, schon gut.«
Das kleine Haus lag in der Mitte der Kulissenstadt und hatte eine sehr schmale Eingangstür. Lorraine zögerte noch, das Haus zu betreten, und fragte: »Was hast du denn vor, Dino?«
»Wieso?«
»Wenn du uns die Plätze zugewiesen hast.«
»Ich werde die Strecke abgehen und mir noch einiges überlegen. Vielleicht finde ich noch bessere Lösungen. Man soll sich nie mit der ersten zufrieden geben.«
»Dauert es lange?«
Er streichelte ihre Wange. »Frag nicht so etwas, Mädchen. Ich weiß es auch nicht. Für deine Gage mußt du schon etwas tun. In einigen Tagen fangen wir dann an zu drehen. Ich habe schon mit den Kameraleuten gesprochen. Sie sind zum Glück frei. Da kam ich gerade noch rechtzeitig mit meiner Offerte. Ich sage dir etwas: Irgendwann wird man sich um diese beiden Streifen reißen. Das werden Kultfilme wie die eines George Romero. Wir machen Furore.«
»Ja, sicher.« Überzeugend klang die Antwort nicht. Lorraine interessierte es nicht, ob man sich um die Streifen riss. Über der Arbeit lag der Schatten des Todes. Ein Mensch war umgebracht worden, und das empfand sie als furchtbar.
Dino öffnete ihr die Tür. »So, Darling, und jetzt geh in das Haus. Du kannst dich ja im Wohnraum aufhalten, auch meinetwegen in die erste Etage gehen, aber gib acht. Es ist nur Kulisse. Einige Dinge sind ziemlich wacklig.«
»Okay!« flüsterte sie.
Der Regisseur blieb zurück. Als sich Lorraine umdrehte, sah sie, wie er die Tür schloss. Sie bekam eine Gänsehaut, weil sie das Gefühl hatte, als hätte man einen Sargdeckel über ihr zugeklappt.
Als Faretti sich entfernte, vernahm sie nicht einmal seine Schritte. Der Nebel schluckte eben alles.
Die Kulissenbauer auch das Haus zusammengezimmert. Der Fußboden bestand aus Bohlen, in den eingerichteten Zimmern lag als Teppich ein dünner Filz von braunbeiger Farbe.
Der Flur war schmal. An seinem Ende sah sie eine Tür. Dahinter lag der Wohnraum. Es brannte ein schwaches Licht, das von Wandlampen abgegeben wurden, die sich innerhalb des Treppenhauses verteilten.
Die Treppe war aus Holz gezimmert und auf alt getrimmt. Faretti hatte der Schauspielerin, geraten, im unteren Wohnraum zu warten. Das wollte sie zunächst nicht. Deshalb wandte sie sich nach links und stieg die Treppe hoch.
Jede Stufe bewegte sich, wenn sie belastet wurde, und gab knarrende Geräusche ab. Als Lorraine ihre Hand auf das Geländer legte, spürte sie, wie wacklig es war.
Der obere Flur glich dem unteren aufs Haar. Türen zweigten ab. Dahinter lagen tatsächlich Zimmer, es war keine Dekoration.
Der Reihe nach öffnete sie die Türen. Jedes Mall durchfuhr sie ein Schauer der Furcht, aber es hielt sich niemand in den Zimmern versteckt. Lorraine befand sich allein im Haus.
Beim letzten Raum ging sie vor bis zum Fenster. Sie blickte durch die Scheibe, konnte aber so gut wie nichts erkennen, weil sich die
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