0467 - Der Nebelmörder
Wolken vermischte.
»Stöhnen Sie mal nicht so«, sagte Suko. »Andere haben es schwerer. Die Mutter, die Kinder aufzieht, der Vater, der stundenlang im Stahlwerk oder in der Fabrik steht, das ist schon härter, als hier mal eine Stunde zu hocken.«
»Das wird bestimmt länger und zieht sich auch über Monate hin.« Judy drehte am Verschluss der Flasche und reichte sie dem Inspektor rüber.
»Hier, nimm einen Schluck.«
»Nein, danke.«
Judy trank, schluckte und nickte. »Mann, Suko, du bist ja ein Puritaner.«
»Dass nicht gerade, aber es gibt bestimmte Dinge, denen ich nicht so unbedingt zugetan bin.«
Sie beugte sich vor und ließ dabei den Rauch aus den Nasenlöchern strömen. »Und wie sieht es mit Frauen aus, Meister?« fragte sie mit einer lockenden Stimme. »Bist du da auch so puritanisch?«
»Ich bin in festen Händen.«
»Mann oder Frau?« Judy drückte sich zurück und fing an zu kichern.
»Frau.« Suko wurde das Thema zu blöd, deshalb wechselte er es. Er wollte mehr über den Nebelmörder erfahren, steuerte aber auf Umwegen das Ziel an. »Sagen Sie mal, welche Rolle hat man Ihnen denn in der Fortsetzung zugedacht?«
»Das weiß ich noch gar nicht.« Sie trat die Zigarette aus. »Faretti ist ein komischer Typ. Er will nur, dass wir uns hier die Nacht um die Ohren schlagen.«
»So schlimm wird es schon nicht werden.«
»Ja, meinetwegen, auch ein paar Stunden. Bestimmt wird er gleich erscheinen. So ein Quatsch, und das noch bei diesem Nebel. An den Mörder hat er dabei auch nicht mehr gedacht.«
»Doch, er engagierte uns.«
»Ach so, ja. Aber könnt ihr etwas gegen ihn tun, wenn er plötzlich erscheint?«
»Mal sehen.« Suko hob die Schultern. »Welche Funktion hat der Rosengarten denn im ersten Teil des Streifens gehabt?«
Das Filmsternchen deutete in die Runde. »Das war hier ein Schauplatz. In den Garten haben sich Verliebte zurückgezogen. Es ist ja nach Tatsachen gedreht worden, und den Garten hat es tatsächlich gegeben, weißt du. Der echte Nebelkiller hat hier ein Pärchen getötet, das haben wir dann nachgespielt.«
»Sind Sie hier auch ums Leben gekommen?« fragte Suko.
»Ja.«
»Und wer noch?«
»Mein Partner.« Sie nahm wieder einen Schluck und zog die Schultern hoch. »Verdammt, so langsam fange ich aber an zu frieren.« Sie stand auf.
»Wo wollen Sie denn hin?«
»Zur Wand. Ich will mir ein paar Rosen anschauen. Sie sehen aus wie echt. Komm mal näher, Suko. Man meint sogar, sie würden duften.«
»Ich bleibe lieber hier sitzen.«
Judy Jackson hob die Schultern und trat auf die Stelle zu, die von zwei Lampen eingerahmt wurde. Sie hob einen Arm an, es war der rechte, und strich durch die Ranken.
Normalerweise hätten die Blätter rascheln müssen, aber nicht einmal die Zweige bewegten sich. Mit zwei Fingern fasste sie nach den Blütenblättern. »Die kann man nicht abreißen«, sagte sie und drehte sich um, so dass sie sich jetzt mit dem Rücken gegen die Ranken drückte.
»Jetzt bin ich ein Rosenmädchen.« Sie lachte und blieb stehen.
Suko ließ sie in Ruhe. Er wollte sie durch Fragen nicht noch weiter anheizen. Judy war eben ein leicht exzentrischer Typ. Zudem musste sie sich stets produzieren und beweisen, dass sie besser war als andere.
Der Inspektor streckte unter dem Tisch die Beine aus. Auch ihm gefiel es nicht, hier herumzusitzen. Er wäre lieber durch die Kulissenstadt gegangen, auf der Suche nach einem gefährlichen Killer.
Bisher hatte er einen Mord auf dem Gewissen. Würden andere folgen?
Und wer war es überhaupt, der in der Maske des Nebelkillers mordete?
Suko dachte auch daran, dass es sich dabei um einen Zombie handeln konnte, also um den echten Jeremy Ice, der, aus welchen Gründen auch immer, nicht verwest war und sein Grab verlassen hatte.
Die Gegend und das Wetter waren für einen Killer wie Ice ideal. Da konnte er sich verbergen, blitzschnell auftauchen und zuschlagen.
Nein, für ihn war das nicht der richtige Platz. Er wollte unterwegs sein und trotz widriger Umstände die Umgebung erkunden.
»Ich werde Sie jetzt verlassen«, sagte Suko und erhob sich von seinem harten Sitzplatz. Gleichzeitig wunderte er sich, dass Judy nichts sagte.
»Bleiben Sie noch hier, Judy?«
Er hörte wieder nichts.
Jetzt wurde der Inspektor misstrauisch. Zwei Schritte ging er vor, sah die Schauspielerin jetzt besser, und ihm fiel ihre steife Haltung auf.
Aber noch mehr stach ihm ins Auge. Aus ihrem rechten Mundwinkel rann ein dunkler Faden, der Kopf lag
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