0467 - Der Nebelmörder
verströmte einen süßlichen Duft, den er nicht mochte. Zwischen ihren Gesichtern tanzten die Nebelschwaden, so dass es aussah, als würden sich Judys Züge jeden Moment zu einer anderen Grimasse verzerren.
Sie war zwar nicht die schlaueste Person, aber einen Blick für Menschen und Gesichter hatte sie schon. Deshalb stellte sie auch sehr schnell fest, dass Suko nicht zur Filmcrew gehörte. Sie ging einen Schritt zurück und streckte den Arm aus.
»Dich kenne ich ja gar nicht. Verdammt, wo kommst du her? Und wer bist du?«
»Nicht der Nebelmörder!«
»Hä…« Judy strich durch ihr Haar. Sie lächelte dabei sehr schief. »Das glaube ich.«
»Wieso?«
»Dann hättest du einen Hut und einen langen Mantel getragen.« Sie schüttelte ihren Kopf. »Nein, sag mal, wer bist du wirklich?«
Suko hatte sich schon eine Ausrede zurechtgelegt. »Ich gehöre zum Wachpersonal.«
»Ein Bulle?«
»Nein, keine Sorge. Dino hat mich engagiert. Ich soll ein wenig auf euch achtgeben.« Judy wunderte sich. »Du auf alle?«
»Ja, das heißt eigentlich nicht. Ich habe noch einen Kollegen, der sich hier umsieht.«
Judy lachte. »Umsieht ist gut. Bei dieser dicken Brühe.« Sie trat so dicht an Suko heran, dass sie ihn fast berührte. Dann streichelte sie seine Wange. »Sei lieb und bleib in meiner Nähe. Wir könnten uns unterhalten, Mann.«
»Aber ich muss mich auch um die anderen kümmern.«
»Dein Kollege ist doch auch noch da. Komm, wir gehen zusammen dorthin; wo mein Platz ist.«
»Ist der nicht hier an der Laterne?«
»Auch, aber ich soll im Garten warten.«
»Wie?«
Sie hakte Suko unter. »Komm mit, mein Freund, dann wirst du es sehen.«
Suko ergab sich in sein Schicksal und ließ sich von Judy Jackson führen, die sich tatsächlich auf dem Gelände besser auskannte als er, und das trotz des Nebels.
Als Suko sie darauf ansprach, winkte sie ab. »Hier haben wir fast zwei Monate gedreht. Da kennt man jeden verdammten Stein und auch alle Tücken. Wir erreichen gleich eine finstere Gasse…«
»Ich weiß Bescheid.«
»Bist wohl vornehm, wie?«
»Nein, aber man braucht ja nicht alles so deutlich und drastisch auszusprechen.«
»Ich werde mich schon zusammenreißen, keine Sorge.« Sie hatte Sukos rechte Hand umfasst, ging jetzt vor und drückte ihn nach links in eine Lücke zwischen zwei künstliche Hauswände. »Jetzt wird es noch finsterer«, flüsterte sie.
»Und wo landen wir?«
»Im Rosengarten.«
Sie hatte es so ernst gesagt, dass Suko das Lachen im Halse steckenblieb.
»Die Blumen sind künstlich, sehen aber aus wie echt. Da gibt es Lampen, wir brauchen nicht im völligen Nebel zu hocken.«
»Hat dort auch eine Filmszene gespielt?«
»Ja, der Nebelmörder hat da einen erstochen. Es hat vorher noch einen Kampf gegeben. Inzwischen ist aufgeräumt worden.«
Judy schwieg. Sie zog Suko hinter sich her. Die beiden erreichten das Ende der schmalen Gasse, die sich so weit öffnete, dass sie den Rosengarten betreten konnten.
Es war mehr ein lauschiger, quadratisch angelegter Platz, zur Vorderseite hin offen. In der Mitte sah Suko die Umrisse eines Tischs aus dem Nebeldunst erscheinen. Er erkannte auch die beiden Stühle, die zum Sitzen einluden.
»Und wo sind die Lampen?« fragte er.
»Bleib mal stehen.« Judy ließ seine Hand los und trat auf eine Wand zu, deren Innenseite von Rosengewächsen überwuchert wurde, die einen Wirrwarr aus Ranken bildeten.
Zwischen den Rosengewächsen hingen tatsächlich zwei Lampen. Wie matte Augen wirkten sie, als Judy sie eingeschaltet hatte. Suko hatte sich an den Tisch gesetzt. Judy kam wieder zu ihm, nahm ebenfalls Platz und sagte: »Ist doch nett hier, oder?«
»Wenn Sie das meinen?«
»Hör doch auf mit dem Sie. Wie heißt du eigentlich?«
»Suko.«
»Klingt aber nicht chinesisch.«
»In meinem Stammbuch haben eben mehrere Vorfahren ihre Spuren hinterlassen.«
»Klar, so hat jeder sein Päckchen zu tragen.« Judy holte aus den Taschen ihrer Pelzjacke Zigaretten, Feuerzeug und eine kleine Flasche mit Whisky. Sie stellte die Sachen auf den Tisch und nickte Suko zu.
»Bediene dich, wenn du willst.«
»Nein, danke.«
»Aber ich brauche was gegen die Kälte. Ist ja eigentlich eine Schweinerei, uns hier so hocken zu lassen. Und da sagte man immer, die Schauspielerei wäre toll. Wenn die Leute alle wüssten, was wir durchmachen, würden sie das anders sehen.« Sie hatte sich zwischendurch eine Zigarette angezündet und blies den Rauch in den Nebel, wo er sich mit den
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