0467 - Der Nebelmörder
die Blitzlichter aufzuckten und das Objektiv der Kamera auf sie gerichtet wurde.
»Das sind alberne Gänse«, sagte die Horror-Oma.
»Kennst du sie eigentlich?«
»Ich habe die Carr bereits in einem Gruselstreifen gesehen. Vom Sitz gerissen hat sie mich nicht.«
»Mal sehen, was sie heute bringt.« Jane ließ sich wieder zurücksinken und strich durch ihr kurzgeschnittenes Blondhaar. Sie war am Morgen beim Friseur gewesen.
»Was hast du?«
Jane hob die Schultern. »Ich weiß nicht. Irgendwie passt mir die Umgebung nicht.«
Die Horror-Oma beugte sich zur Seite. Bei dieser Bewegung fingen die Ketten, die sie um den Hals trug, an zu klimpern. »Sag bloß, du hast wieder diese Vorahnungen wie beim Besuch der letzten Ausstellung?«
»Noch nicht.«
»Aber es kann kommen?«
Jane hob die Schultern. »Ich weiß es nicht, vielleicht liegt es an der Atmosphäre. Sie ist so komisch, so düster. Irgendwie gefällt sie mir überhaupt nicht.«
Lady Sarah rieb schon ihre Handflächen gegeneinander. »Sag bloß, da kommt wieder etwas auf uns zu.«
»Mal den Teufel nicht an die Wand.«
»Hätte ja sein können.«
Jane wechselte schnell das Thema. »Weißt du, wen ich vermisse?«
»Nein.«
»Den männlichen Hauptdarsteller. Einer muss doch den Nebelmörder gespielt haben.«
»Er heißt Wayne Ross.«
»Und dann ist er nicht da?«
Lady Sarah hob die Schultern. »Vielleicht ist er krank geworden. Möglich ist schließlich alles, auch bei Premieren.«
Inzwischen hatten alle Gäste ihre Plätze gefunden, die Reden waren beendet, und einer Aufführung stand nichts mehr im Weg. Minuten später verlöschte auch das Licht.
Der Film begann mit einem Schock!
Wie aus dem Nichts tauchte eine blutige Klinge auf, wurde in Sekundenschnelle größer, bis sie fast die gesamte Leinwand in der Breite einnahm. Nach unten tropfendes Blut »schrieb« den Titel.
DER NEBELMÖRDER
Die schrille Musik hallte durch das zum Kinosaal umfunktionierte Studio.
Während noch die Namen der Hauptdarsteller eingeblendet wurden, sahen die Zuschauer bereits die Gegend, durch die sie auch bei der Ankunft geschritten waren.
Im Film noch düsterer und unheimlicher, weil man mit den entsprechenden Beleuchtungseffekten gearbeitet hatte.
Und der Mörder erschien zum ersten Mal.
Wie ein Phantom tauchte er aus dem Nebel auf. Eine in einen dunklen Mantel eingehüllte Gestalt, von deren Gesicht nicht viel zu sehen war, weil der Großteil von der Krempe eines Schlapphuts verdeckt wurde.
Lautlos bewegte sich der Killer durch die Gassen auf der Suche nach einem Opfer.
Szenenwechsel.
Eine Familie saß bei Abendbrot. Aus dem Radio ertönte Swingmusik. Die etwa achtzehnjährige Tochter stand plötzlich auf und rannte weinend aus der Wohnung.
Den Grund erfuhr man später, als sich die Eltern darüber unterhielten.
Das kümmerte Lady Sarah nicht mehr. Ihr war etwas passiert, das ihr noch nie während einer Kinovorstellung widerfahren war.
Sie musste zur Toilette.
Lady Sarah beugte sich zu Jane Collins hinüber. »Hast du gesehen, wo hier die Toiletten sind?«
»Nein.«
»Aber ich muss hin.«
»Frag doch mal den Kontrolleur. Der steht bestimmt noch draußen an der Tür.«
»Okay.« Lady Sarah stand schon auf. »Du kannst mir ja später erzählen, was ich verpasst habe.«
Jane winkte ab, während sie einen Blick auf die Leinwand warf, wo das von zu Hause weggelaufene Mädchen durch die neblige Nacht rannte und wahrscheinlich bald dem Killer ins Messer laufen würde. »Bestimmt nicht viel, das ist immer das gleiche.«
Lady Sarah verschwand. Die Tür zeichnete sich innerhalb der Wand gut ab. Lady Sarah fand auch sofort die Klinke und stieß die Tür auf. Der Kontrolleur war tatsächlich noch da.
Er hockte auf einem Regiestuhl und rauchte eine Zigarette. Überrascht drehte er sich um, als Lady Sarah den Raum verließ.
»Ist Ihnen schon übel geworden, Madam? Der Film ist nur etwas für starke Nerven.«
»Die habe ich. Keine Sorge, junger Mann.«
»Man kann ja nie wissen.«
»Sagen Sie mir lieber, wo ich hier die Toilette finde.«
»Auch das noch.«
»Ist das so ungewöhnlich?«
»Nein, das nicht, aber Sie müssen nach draußen. Hier gibt es keine.«
»Das habe ich mir fast gedacht.«
Lady Sarah ließ sich den Weg beschreiben und stellte fest, dass sie durch die Kulissen musste.
»Soll ich Sie begleiten?« fragte der Kontrolleur.
»Nein, lassen Sie mal. Ich habe starke Nerven. Und den Killer gibt es nur im Film.«
»Wer weiß«, sagte der
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