0469 - Bumerang mit langen Wimpern
Taschentuch vor den Mund gepreßt. Seine Augen tränten. Ich trat ihm in den Weg. Er blieb stehen und starrte mich an. »Was ist passiert?« fragte ich. Er wollte etwas antworten, aber plötzlich revoltierte sein Magen. Mit gesenktem Kopf stolperte er in die nächste Ecke.
Ich betrat die Wohnung. In der Luft hing ein pulverfeiner Staubnebel, der sich nur langsam legte. Zwei Zwischenwände waren eingestürzt.
Explosionsherd war das Wohnzimmer gewesen.
Dann sah ich den Mann, oder vielmehr das, was von ihm noch übriggeblieben war.
Er lag in der Höhe der Wohnzimmerschwelle. Ich wußte jetzt, was die würgende Übelkeit des Mannes verursacht hatte, der vor mir in die Wohnung eingedrungen war.
Ich machte kehrt und ging zurück.
Als ich im Hausflur stand, hörte ich in der Ferne schwach das Heulen der Martinshörner. Sie kamen rasch näher.
***
»Dennis Westmore erschossen. Seine Wohnung ein Trümmerhaufen. Janet Rogers entführt… von Westmore, wie Rogers Butler glaubhaft versichert«, sagte Mr. High zusammenfassend. »Das ist die Situation.«
Phil Decker und ich saßen dem Chef in seinem Office am Schreibtisch gegenüber. Mr. High zog die Unterlippe zwischen die Zähne und schwieg. Phil Und ich schwiegen mit. Es gab eine Menge, worüber es sich nachzudenken lohnte, aber natürlich war es unmöglich, in wenigen Minuten eine plausible Lösung zu finden.
Ich hatte meinen Bericht so knapp wie möglich gehalten. Mr. High und Phil hatten mich nicht mit Zwischenfragen unterbrochen. Ich wußte, was sie dachten. Sie suchten vergeblich nach Zusammenhängen, nach einer logischen Verquickung der einzelnen Vorkommnisse.
Der Name Fordham war nur wenige Male gefallen. Aber er diktierte unsere Überlegungen, er war der Pol, um den sich alles drehte.
»Ich schlage vor, Sie gehen gemeinsam an die Arbeit«, sagte Mr. High. »Das Fernziel ist klar. Es gilt, Fordham zu überführen. Aber das Nahziel ist augenblicklich noch wichtiger. Sie müssen das Mädchen finden!«
Phil und ich nickten. Natürlich, Janet Rogers mußte vor dem Schlimmsten bewahrt werden. Wir wußten, daß es leichter ist, eine solche Forderung aufzustellen, als sie zu erfüllen. Aber das wußte natürlich auch Mr. High. Er erhob sich. »Sie dürfen keine Zeit verlieren. Bitte halten Sie mich auf dem laufenden.«
Phil und ich verließen das Büro. Wir marschierten zurück in unser Office. Dort war inzwischen der Bericht eingetroffen, den ich vom Zentralarchiv angefordert hatte. Ich las ihn vor. Howard Hogers war zweiundfünfzig Jahre alt. Er hatte seine Frau vor drei Jahren verloren. Sie war einem Krebsleiden erlegen. Seine Vermögensverhältnisse Waren nicht ganz klar. Er galt als wohlhabend, aber die Quellen seines Einkommens wurden nicht genannt. Im Koreakrieg hatte er einen Orden bekommen, das Purple Heart. Als Politiker hatte er sich niemals sonderlich ausgezeichnet. Aber er galt als guter Redner. Seine Partei hatte ihn als Kandidaten aufgestellt, weil er attraktiv war und das Zeug hatte, die Ziele der Partei mit großer Beredtheit zu vertreten. Howard Rogers war nicht vorbestraft.
»Ein guter Redner also«, sagte Phil nachdenklich. »Das ist immerhin schon etwas. Außerdem war er ein Kriegsheld. Erwähnt der Bericht, bei welcher Gelegenheit er sich ausgezeichnet hat?«
»Nein, aber das Purple Heart bekommt man nicht für schwungvolle Reden.«
»Kriegshelden verkaufen sich gut«, sagte Phil nachdenklich und keineswegs respektlos. »Ob sie ihn deshalb auf gestellt haben?«
»Sehen wir ihn uns an«, schlug ich vor.
Wir fuhren zum Riverside Drive.
Howard Rogers empfing uns in seinem Arbeitszimmer. Er trug einen englisch gearbeiteten Anzug, einen dunklen Zweireiher mit Nadelstreifen. Rogers war blaß aber gefaßt. Er hatte ein markant geschnittenes Gesicht mit hellen, klaren Augen. Alles in allem war er eine männlich-eindrucksvolle Erscheinung; als Werbestar für eine Whiskymarke hätte er sicherlich eine blendende Figur gemacht.
Wir setzten uns. »Er hat vor fünf Minuten angerufen«, sagte Rogers knapp. Dann preßte er die Lippen zu einem farblosen Strich zusammen.
»Wer?« fragte Phil.
»Der Entführer.«
»Der Entführer ist tot«, sagte Phil.
»Das habe ich von James erfahren«, meinte Rogers düster. »Eine höchst mysteriöse Angelegenheit. Aber Westmore war zweifellos nur das Werkzeug. Janet befindet sich noch immer in den Händen des Mannes, der das Verbrechen inszenierte.«
»Und dieser Mann hat angerufen?«
Rogers nickte. »Ich muß
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