0472 - Sie war nur ein 5-Dollar-Girl
uns der Gefahr aus, daß die Ladung unterwegs hochgeht.« Er lächelte mir zu. »Am besten, Sie verschwinden jetzt, Mr. Cotton.«
Ich trat zurück. Der Feuerwerker begann, mit einigen Werkzeugen zu hantieren. Zwei auf den Bürgersteig gestellte Scheinwerfer beleuchteten das Innere des Wagens. Ich sah den Schweiß auf der Stirn des Feuerwerkers. Er brauchte nur zehn Minuten, dann hatte er es geschafft. Er kletterte mit einem etwa taschenbuchgroßen flachen Paket aus dem Wagen. »Sehen Sie sich das mal an, aber bitte nicht berühren«, sagte er. »Das hätte ausgereicht, um Sie mitsamt dem Wagen in die Luft zu blasen!«
»Ist der Zünder noch dran?«
»Ja, aber im Augenblick besteht keine Gefahr. Der Zünder wird nur durch Zug ausgelöst.«
Ich bedankte mich bei dem Feuerwerker. Dann fuhr ich mit Phil zurück nach Brooklyn.
Im Hartley war eine Menge los. Lieutenant Brunch von der 2. Mordkommission hatte Commers und die Hotelbewohner in die Mangel genommen. Das Hotel war von einigen Beamten der City Police gegen eine Schar neugieriger Reporter abgeschirmt worden. Phil und ich hatten Mühe, uns durchzukämpfen. Dann standen wir in der Halle. Commers schaute mich wütend an. Sein Gesicht war ganz grau. »Mr. Joe Naddish!« höhnte er. »Ich wünschte, Sie wären nie hier abgestiegen! Mit Ihnen hat alles begonnen!«
Es war sinnlos geworden, die Joe-Naddish-Rolle weiterzuspielen. Ich zeigte Commers meinen Ausweis und beobachtete seine Reaktion. Er schien ehrlich verblüfft. »Sie sind ein G-man?« fragte er.
»Ja«, sagte ich grimmig und steckte den Ausweis ein. »Das werden Sie noch zu spüren bekommen, Commers!«
Er lief rot an. »Jetzt reicht es mir aber. Was kann ich denn dafür, wenn jemand die Kleine umbringen wollte? Bei dem Umgang, den sie hatte, ist das wahrhaftig kein Wunder.«
»Wo wohnen Sie, Commers?«
»Hier im Haus«, erwiderte er und wies mit dem Daumen über die Schulter. »Hinter der Rezeption habe ich ein Zimmer und eine Küche.«
»Mit Ausgang zum Hof, nikht wahr?«
»Stimmt«, sagte Commers mit kleinen Augen. »Warum fragen Sie?«
Brunch trat zu uns. Er gab Phil und mir die Hand. »Komisch«, meinte er. »Nach allem, was man hört, war sie nur ein kleines Flittchen. Wer kann einen Grund gehabt haben, solch ein Mädchen auf so auffallende und umständliche Weise zu töten?«
»Daran bin ich wohl schuld«, sagte ich bitter. »Und natürlich unser Freund Commers.«
»Was soll das heißen?« brauste Commers auf. »Wenn Sie unbedingt einen Sündenbock brauchen, sollten Sie ihn dort suchen, wo er zu finden ist. Ich habe mit der Sache nichts zu tun, verstehen Sie?«
Ich ließ ihn reden. Es war nicht zu erwarten, daß er umfallen und ein Geständnis ablegen würde. Ich nahm Brunch beiseite und informierte ihn über das, was geschehen war.
»Jetzt bekommt die Sache gleich ein ganz anderes Gesicht«, sagte er.
»Lo muß etwas von den Sardonin-Leuten gewußt haben«, sagte ich. »Es kommt jetzt darauf an, diese Verbindungen aufzuspüren.«
»Wenn es stimmt, was der Hotelbesitzer und der Portier von dem Mädchen behaupten, dann erwartet uns eine fast unlösbare Aufgabe«, murrte Brunch. Er sah aus wie der geborene Pessimist, düster und unlustig. Aus seinem Mund kamen nur selten positive und hoffnungsvolle Bemerkungen, aber glücklicherweise lehrte die Erfahrung, daß er sehr positive Arbeit leistete. »Lo Cockers hat offenbar viele Männer gekannt.«
Ich machte kehrt und ging auf Commers zu. »Hatte sie einen festen Freund?« fragte ich.
Der Portier musterte mich unfreundlich. »Wer, Lo? Mann, wo denken Sie hin? Lo liebte nun mal die Abwechslung.«
»Es gab doch sicherlich Männer, die Miß Cockers regelmäßig besuchten?«
»Ja, gewiß, aber ich möchte wetten, daß die Kerle sich nie unter ihrem richtigen Namen eintrugen. Bitte, hier ist das Buch. Sie können sich die Namen ansehen. Ich weiß noch ganz genau, wer ihretwegen hier abgestiegen ist.«
»Danke«, sagte ich, »diese Arbeit übernimmt Lieutenant Brunch.«
Brunchs' Mundwinkel senkten sich traurig. »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie versessen ich auf diesen Job bin«, knurrte er mißmutig.
***
Ernest Rice fummelte mit einer zurechtgebogenen Büroklammer in seinen Zähnen herum. Diese kaum salonfähige Version der Mundhygiene paßte nur schlecht zu seiner eleganten Aufmachung. Sie harmonierte weder mit dem maßgeschneiderten cremefarbenen und aus schwerer Seide bestehenden Oberhemd noch mit dem schokoladenfarbenen
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